Kräftige Ratten dank schlechter Abfallmoral

SCHWEICH/RIOL. In der Dunkelheit der Abwasserkanäle herrscht reges Leben. Ratten gehören zu den treuesten "Untermietern" in diesem Labyrinth. Und ständig besteht die Gefahr, dass sie dank bester Lebensbedingungen zur Plage werden.

Abwassergruppe Riol: Hier laufen die Sammelleitungen aus der Stadt Schweich, dem Industriepark Föhren und zwölf weiteren Orten der Verbandsgemeinde Schweich zusammen und ergießen ihre stinkende Fracht in die Aufnahmebecken der Anlage. Wenn es starke Niederschläge gegeben hat, werden die Klärwärter Tag für Tag fündig: Immer wieder treiben Kadaver wohl genährter Wanderratten in der braunen Brühe. Sie waren nicht schnell genug dem heranbrausenden Schwallwasser entkommen, ertranken und wurden hinweggespült. Bei diesen Verlusten handelt es sich um einen verschwindend geringen Teil der Gesamtpopulation, die sich hochgradig auf das Leben im Kanal spezialisiert hat.Kanal ist keine Restmülldeponie

Ratten werden aus Abwasserkanälen nie ganz zu tilgen sein. Um ihre Zahl in überschaubaren Grenzen zu halten, muss das Nahrungsangebot so gering wie möglich gehalten werden. Doch gegen dieses Gebot wird - teils wider besseres Wissen, teils aus Gedankenlosigkeit - immer wieder verstoßen. Manfred Gressnich, Erster Werkleiter der Verbandsgemeinde Schweich, stellt klar: "Der Kanal ist keine Restmülldeponie." Das heißt konkret: Essensreste, Kaffeesatz, Teebeutel und andere nahrhafte Abfälle, die immer wieder gerne ins Klo gekippt und nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn" beseitigt werden, landen als Ratten-Gourmet-Menü im nächsten Kanalrohr. In trockenen Perioden führen die Sammelleitungen kaum Wasser, die Fließgeschwindigkeit der Rinnsale geht gegen null. Die aus Hausanschlüssen angespülten Abfälle bleiben zunächst im Sammler liegen und werden den vierbeinigen Bewohnern im Heim-Service-Verfahren frei Haus angeliefert. Ein reichhaltiges Nahrungsangebot fördert erfahrungsgemäß das Wachstum der Populationen, die sich gerne in still gelegten Hausanschlüssen oder sonstigen Nischen dauerhaft einquartieren. Von dort dringen sie zu immer attraktiveren Fressplätzen auch außerhalb der Kanalisation vor, oder verschaffen sich gar per Tauchgang durch Haustoiletten Zugang zu Wohngebäuden. Dort können sie durch ihre Gefräßigkeit Schaden anrichten; größer ist jedoch die Gefahr, dass die Nager bedrohliche Krankheitserreger verbreiten. Deshalb muss ihre Zahl so gering wie möglich gehalten werden. Seit etwa vier Jahren, so Harald Guggenmos, technischer Werkleiter der VG Schweich, werden die Kanalrohre in der Verbandsgemeinde von einer Fachfirma mit fahrbaren Video-Kameras systematisch untersucht. Die Bediener dieser Kameras sind erfahrene Beobachter und können schnell sagen, wo sich Ratten in überdurchschnittlicher Zahl aufhalten. Wird ein solcher Schwerpunkt entdeckt, tritt die gezielte Bekämpfung in Aktion. Vergiftete Fressköder werden ohnehin regelmäßig im gesamten Kanalisationssystem ausgelegt. In der Abwassergruppe Riol laufen die häuslichen Abwässer von 32 000 Menschen - Einwohnerwerte - ein. Die gleiche Anzahl wird in der Abwassergruppe Leiwen behandelt.Buntes Müll-Sortiment im Abwasser

Mit der Entsorgungsmoral ist es offenbar nicht zum Besten bestellt. Was die Rechen aus den einlaufenden Abwässern vorsortieren, so Harald Guggenmos, spricht Bände: Von Hygiene-Artikeln bis zu ganzen Äpfeln wird ein buntes Sortiment herausgekratzt, das nichts im Kanal verloren hat, sondern in den Hausmüll gehört. Dabei sind die enthaltenen Lebensmittelmengen oft gar nicht messbar, weil sie sich in der Kloakensuppe aufgelöst haben. Der Zusammenhang von diesem durch schmackhafte Zutaten angereicherten Abwasser und der Vermehrung der Wanderratten scheint vielen Bürgern nicht klar zu sein. Auch die Gesundheitsämter sehen diese Abfallbeseitigungsmoral mit Sorge. Manfred Gressnich geht einen Schritt weiter und meint, wer Kunstoffe, Papier und Restmüll sauber trenne und dann bestimmte Lebensmittel über die Kanalisation verschwinden lasse, führe letztlich sein gesamtes Umweltverhalten ad absurdum.

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