Pro Moselfränkisch

REMICH. (wr) Moselfränkisch? Für Jeannot Belling ist dieser Dialekt unter dem Namen "Letzebuergesch" Hochsprache seines Heimatlandes. Aber nicht nur das, er pflegt mit Überzeugung die Literatur der Luxemburger Schriftsteller.

Seit zehn Jahren ist Jeannot Belling (Foto) Bürgermeister von Remich, davor war er bereits "eine Ewigkeit lang" Erster Beigeordneter, ebenso Parlamentsmitglied. Er hat mit Hilfe seiner politischen Freunde, aber nicht zuletzt mit seinem Durchsetzungsvermögen, im letzten Jahrzehnt aus Remich ein Juwel mit mediterranem Flair gemacht. Nach wie vor ist er ein dynamischer Kommunalpolitiker, der mit Stolz auf die Infrastruktur seiner Stadt blicken kann, aber über Schulzentrum, urbanem Seniorenheim und florierender Wirtschaft nicht den kulturellen Aspekt vergisst. Seine Freizeit gehört in erster Linie dem "Chorale Sainte-Cecile Remich", der 1998 sein 150-jähriges Bestehen feierte. Dass Belling mit einer hervorragenden Tenorstimme begabt ist, davon konnten sich im Jahr 2000 Besucher des Schauspiels "Tag der Schuldlosen" auf Burg Montclair überzeugen, wo er eine Bänkelsängerrolle übernommen hatte. "Unser Chor singt nicht nur in der Kirche und bei Konzerten, wir bringen moselfränkische Stücke und Singspiele auf die Bühne und pflegen damit das Moselfränkische, das eigentlich über Jahrhunderte hinweg die Sprache des Dreiländerecks war", berichtet er. Der riesige Bücherschrank in seinem Amtszimmer ist angefüllt mit Luxemburger Literatur, aktuelle amtliche Schriften und Werke sind in den Räumen nebenan greifbar. Wo in unserer Region Chefs zu ihren Mitarbeitern eher mal ein flottes "let's go" sagen, hören Bellings Sekretärin Muriel Brandenburger und Kolleginnen und Kollegen von ihrem Chef das gewohnte "Da lass".Tierfabeln und Mundartlustspiele

Und dann schwelgt er in letzebuergescher Literatur, greift den "Renert" von Mechel Rodange, "dem größten unter unseren Schriftstellern, eurem Goethe vergleichbar". Rodange war drei Jahre alt, als der Dichterfürst in Weimar starb, aber sein größtes Werk, der "Renert", ein Buch, das eigentlich "De Fuus am Frack an a Maansgreisst" heißt, ist Goethes Reineke Fuchs vergleichbar. "Es ist ein politisches Buch, das nach wie vor seine Gültigkeit hat und in der Gerichtsverhandlung der Tiere immer noch den Zeitgeist trifft", bekräftigt Belling. Belling greift aus dem Bücherschrank auch Werke von Michel Lentz, "dem Klassiker vun der Letzebuerger Literatur", und selbstverständlich auch von Edmond de la Fontaine, dem Friedensrichter des Kantons Vianden, "eisen" oder "onsen" Nationaldichter. Er ist der "Dicks", Mundartlustspiele, zum Beispiel von Norbert Weber, heißen einfach "Dicksereien". In der moselfränkischen Sprache kennt sich Belling bestens aus: "Aber auch bei uns gibt es große Unterschiede, im Ösling reden sie anders als im Gutland, in Remich anders als in Schengen, eben unterschiedlich wie bei euch in Merchingen oder Besseringen." Übrigens hatte es der Priester von Remich satt, dass ihm in der Sonntagsmesse beim "Herr erbarme dich unser", beim Wort "unser" ein Stimmengewirr von "eisen", "usen" und "onsen", also von allen Dörfern der Obermosel, entgegen klang: "Wer in unsere Kirche nach Remich kommt, der soll auch so beten, wie man in Remich betet." Aber klingt es auch nicht wunderbar, wenn die Remicher das Vaterunser beten? "Eise Papp am Himmel, däi Numm sief gehelegt!"

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