Selbstvertrauen tanken

KONZ. Die oben auf der Bühne sind volljährig und kommen aus Dänemark, die unten im Saal sind kaum sechs Jahre alt und kommen aus den Förderkindergärten in Konz-Könen und Irrel. Eines haben sie gemeinsam: Schwierigkeiten mit dem Lernen oder gar eine Behinderung. Das Thema des Tages: Auch mit Schwächen kann man viel erreichen.

Aus den Lautsprechern ertönt der Queen-Klassiker "Another one bites the dust", Theaternebel zieht in dicken Schwaden über die Bühne, während "Lady" von einem ganzen Rudel wilder Gesellen bedrängt wird. Nur mit Mühe und Dank ihres Freundes "Vagabond" gelingt der Pudel-Hündin die Flucht - und schon stürzt sie sich ins nächste Abenteuer. Lady heißt abseits der Bühne Michelle und ist eine von 31 Erwachsenen, die im Internat "Teaterbygningen Fanefjord" auf der dänischen Insel Mœren leben. Die Privatschule will jungen Menschen, die in der Schule Probleme haben oder behindert sind, eine Chance geben, eigenverantwortlich zu leben, sich zu beschäftigen und vielleicht eine Arbeitsstelle zu bekommen. "Viele unserer Schüler haben eine Karriere als Schulversager hinter sich", sagt der Deutsche Peter Fritsch. Er ist Musiklehrer im Teaterbygningen und hat viele der Songs für "Lady og Vagabond" geschrieben, eine Art Musical-Version des Walt-Disney-Klassikers "Susi und Strolch". Im Internat dreht sich fast alles ums Theater: Es gibt eine Schneiderei, eine Schreinerei und eine Elektro-Werkstatt. "Die Schüler haben alles selbst gemacht", sagt Fritsch nicht ohne Stolz: die Kostüme, die Kulissen, die Ton- und Lichttechnik. Auch die Musik spielen sie live hinter einem Vorhang. Die Schüler leben im Internat in Wohngruppen, müssen für sich selbst sorgen und sollen so lernen, Verantwortung zu übernehmen. Daneben können sie Erfahrungen in der Großküche sammeln oder als "Hausmeister". Eine Tätigkeit, die nach Fritschs Angaben sehr beliebt ist - und Erfolg versprechend: So mancher finde einen Job als Hausmeister, sagt Fritsch. Zehn Jugendliche könne das Internat Jahr für Jahr an weiterführende Schulen oder in Arbeitsverhältnisse vermitteln. "Unsere Schüler sind sehr dankbar für alles und mit Spaß bei der Arbeit", sagt Fritsch - Eigenschaften, die Arbeitgeber schätzen. Manche Schüler finden sogar einen Job beim Theater. Das ist jedoch nicht das erste Ziel der Schauspielerei: Die Schüler sollen Selbstvertrauen tanken und den Glauben an die eigenen Stärken wiederfinden. Alle drei Jahre geht die Schule auf Auslands-Tournee, die in diesem Jahr zwei Wochen durch Deutschland führt. Nach den drei Aufführungen in Konz gehe es weiter nach Berlin, erzählt Fritsch. "Die Schüler sollen lernen, dass der Tag auch einmal 20 Stunden haben kann und nicht immer alles glatt geht im Leben", sagt der Musiklehrer.Requisiten durch Unfall beschädigt

In diesem Sinne ist die Herausforderung auf der Anreise sogar hilfreich: Der Lastwagen der Schule mit den Requisiten war in einen Unfall verwickelt, der Teile der Technik und der Kulissen in Mitleidenschaft zog. Die ganze Nacht hindurch versuchten die Schüler, die Schäden zu beheben. Doch die Aufführung in der Sporthalle der Turngemeinschaft Konz verläuft am nächsten Tag ohne Zwischenfälle: Als Lady nach vielen Abenteuern wieder glücklich nach Hause zurückgekehrt und der letzte Vorhang gefallen ist, bekommen Musiker und Schauspieler den Beifall des Publikums. Ihm, aber vor allem sich selbst haben sie gezeigt, dass man im Leben etwas erreichen kann - trotz aller Schwächen.

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