Strampeln für die Gästeliste

SAARBURG. Auf gleichermaßen originelle wie ungewöhnliche Weise ist die Saarburgerin Margreth Keil am Montag zu einer Hochzeit eingeladen worden: Zwei "Hochtiedsnöger" aus dem Emsland suchten die 80-Jährige mit bunt geschmückten Fahrrädern auf und luden sie zu dem Familienfest ein. Ein alter norddeutscher Brauch steckt hinter der Aktion.

Für das so häufig als "schönster Tag im Leben" bezeichnete Ereignis, die Hochzeit, legen sich die meisten Menschen ordentlich ins Zeug. Planen Trauung und anschließende Feier bis ins Detail durch, organisieren alle notwendigen Schritte im Vorfeld. So auch die Einladungen zum großen Tag, die wie alles Übrige idealerweise etwas ganz Besonderes sein sollen. Die Einladung, die die 80-jährige Margreth Keil, bekannte Künstlerin aus Saarburg, am Montag erhalten hat, fällt allerdings aus dem Rahmen - zumindest in hiesigen Gefilden. Nach altem ostfriesischem Brauch haben sich zwei "Hochtiedsnöger" aus dem Emsland, der Heimat von Margreth Keil, aufgemacht, um die hellwache Dame zum Fest ihres Neffen Wilfried am 1. Oktober nach Schöninghsdorf einzuladen. Um 9 Uhr klingelten die beiden "Hermänner", Hermann Aehlen und Hermann Reimer, an der Tür der Hubertusstraße 47 in Saarburg. Bekleidet mit Strohhüten, blau-weiß-gestreiften Baumwollhemden, roten Halstüchern, dicken Schafswoll-Socken und naturfarbenen Holschken - besser bekannt als Holzpantinen oder Klocks - standen die beiden Herren vor Margreth Keils Haustür. Allerdings nicht überraschend. "Wir haben Frau Keil vorher angerufen, ob sie da ist. Schließlich wollten wir die mehr als 400 Kilometer aus dem Emsland bis hierher nicht vergeblich fahren", sagt Hermann Aehlen. Aehlen ist der Bruder der Braut, der vor einem Jahr nach eigener Auskunft "die Klappe zu laut aufgemacht hat". Lange Zeit sei seine Schwester Silvia, das jüngste von acht Kindern, in punkto Hochzeit "nicht in die Pötte gekommen". Deshalb habe er Silvia versprochen: "Wenn Du es schaffst, bis Ende 2004 zu heiraten, ziehen wir los als Hochtiedsnöger." Silvia "schaffte es", und so stand der Bruder im Wort. Gemeinsam mit Hermann Reimer, ebenfalls verwandt mit den Brautleuten, suchte er die Heiratswilligen auf und holte sich die Gästeliste ab. 25 Adressen der engsten Familie bekam der Bruder in die Hand gedrückt. Und die klappern die beiden "Hermänner" seit vier Wochen ab - mit von den Geschwistern der Braut bunt geschmückten Fahrrädern, wie es der Brauch vorsieht. "Früher sind die Hochtiedsnöger mit dem Pferd los gezogen", erzählt Aehlen.Ein paar "Klare" gehören auch dazu

Im Gepäck haben die beiden einen Handstock, an dem jeder eingeladene Gast ein flatterndes Band mit seinem Namen hinterlässt. Mit den bunt geschmückten Rädern haben die Hochtiedsnöger tatsächlich alle Gäste rund um Schöninghsdorf eingeladen. Drei Ziele allerdings liegen deutlich weiter entfernt vom Emsland. Trier ist das eine, Rosenheim und Zealand in Holland sind die beiden anderen. So mussten die Herren den Brauch zwangsweise abwandeln. Nach Trier haben sie sich chauffieren lassen von Benno Schmees, ebenfalls verwandt mit der großen Braut-Familie. "Das letzte Stück, den Berg hoch zur Hubertusstraße, wollten wir eigentlich mit den Rädern fahren. Aber dann sind wir an dem Haus von Margreth Keil vorbei gerauscht und mussten oben wenden", erzählt Reimer schmunzelnd. Im Wald am Ende der Straße hat das Gespann dann wohl noch für verdutzte Gesichter gesorgt. Aehlen: "Wir haben uns da oben umgezogen, als ein paar Jogger vorbei kamen. Die konnten mit unserem Aufzug ganz offensichtlich nichts anfangen." Margreth Keil dagegen umso mehr: "Ich kenne den Brauch von früher und finde es toll, dass die beiden tatsächlich hierher gekommen sind." Belohnt hat sie die Herren mit einem ausgiebigen Frühstück und ein paar "Klaren", die die Hochtiedsnöger stets bei ihren Besuchen einfordern - schließlich soll Fahrer Benno ja nicht vergebens dabei sein.Lesen Sie morgen in unserer Serie "Trier-Saarburg - ganz nah" einen Bericht über das Biker-Treffen in Konz-Kommlingen.

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