Urteil bringt Kreis in Fahrt

TRIER. Schüler haben auch dann ein Anrecht auf Fahrtkostenerstattung, wenn sie nicht in dem für sie zuständigen Schulbezirk unterrichtet werden. Das hat jetzt das Oberverwaltungsgericht in Koblenz entschieden. Von Belang sei allein die Zuweisung durch die Schulbehörde, so die Richter, die ein vorheriges Urteil des Trierer Verwaltungsgerichts bestätigten. Die Kreisverwaltung will nun die entsprechenden Bescheide genauer prüfen.

"Ein wichtiger Grund" sorgt für Verwirrung: Gedacht als Bedingung für einen außerplanmäßigen Schulwechsel, ruft die vage Formulierung im rheinland-pfälzischen Schulgesetz jetzt die Kreisverwaltung auf den Plan. Anlass ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts, bei dem die Koblenzer Richter jüngst in zweiter Instanz entschieden, dass die Kreisverwaltung auch dann die Fahrtkosten für den Schulweg erstatten muss, wenn der Schüler außerhalb seines Schulbezirks unterrichtet wird. Von Belang sei einzig die Zuweisung durch die Schulbehörde, so die Richter, die keine Revision zuließen. Im konkreten Fall hatte ein Ehepaar die Kreisverwaltung auf Übernahme der Fahrtkosten für ihre beiden Kinder verklagt. Die Familie war in ein anderes Dorf gezogen, wollte jedoch, dass die Kinder weiterhin ihre alte Grundschule besuchen können. Die Schulbehörde folgte dem Willen der Eltern und ließ damit zu, dass die Schützlinge nicht mehr in dem für sie zuständigen Schulbezirk unterrichtet wurden. Außerdem hatte sich mit dem Umzug der Schulweg auf mehr als zwei Kilometer verlängert, womit formal auch die Voraussetzung für eine Übernahme der Fahrtkosten gegeben war. Doch die Kreisverwaltung stellte sich quer und verweigerte die Übernahme der Fahrtkosten. Die Argumentation der Behörde: Es habe kein "pädagogischer Grund" für den Verbleib an der alten Schule vorgelegen. Doch das Oberverwaltungsgericht bestätigte nun ein früheres Urteil des Trierer Verwaltungsgerichts, wonach die Fahrtkosten auch dann übernommen werden müssen, wenn die Kinder einen anderen Schulbezirk besuchen. Entscheidend sei einzig und allein die Zuweisung durch die Schulbehörde, und die ist bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) angesiedelt. Kreis will Zuweisungen intensiver prüfen

Das Urteil wird Konsequenzen haben: Gegenüber dem Trierischen Volksfreund kündigte Kreis-Schuldezernent Martin Böckel an, die Zuweisungen künftig stärker zu prüfen und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen. "Wir müssen inzwischen den Eindruck haben, dass für die Zuweisungen oftmals kein wichtiger Grund vorliegt", so Böckel, der auch klar stellt, was für seine Behörde das Prädikat "wichtig" verdient: Ausschließlich "pädagogische Aspekte" dürften für die Zuweisung in einen anderen Schulbezirk gelten. Häufig ließen sich Gründe gar nicht klar definieren, kontert unterdessen die ADD. "Wenn es beispielsweise um die Betreuung des Kindes am Nachmittag geht, dann wird aus dem persönlichen schnell ein pädagogisches Problem", sagt ADD-Sprecher Karsten Deicke. "In fast allen Fällen wird den Wünschen der Eltern entsprochen", räumt Deicke ein. Tatsächlich entscheiden in aller Regel die Schulen vor Ort über die Zuweisung. "Die abgebende Schule informiert dann die Kreisverwaltung", so Deicke. Die kann Widerspruch einlegen, woraufhin die Angelegenheit von der ADD geprüft werden muss. Auseinandersetzungen zwischen Kreis und ADD sind programmiert und auch weitere Prozesse nicht auszuschließen. Denn was ein "wichtiger Grund" ist, entscheidet im Zweifel auch künftig die Schulbehörde. Von einem "Interpretationsdilemma" spricht denn auch Deicke, und Böckel wirft die Frage auf, ob der "Staat auch Ungleichbehandlungen finanzieren muss". Schließlich seien Eltern, deren Kinder die für sie zuständige Schule besuchen und keine Fahrtkosten erhalten, benachteiligt.

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