Voll unter Dampf

TRIER/ LUXEMBURG. Dichtgedrängt stehen die Eisenbahnfreunde mit Kameras und Camcordern auf dem Luxemburger Hauptbahnhof vor dem schnaufenden Dampfross mit dem Namen "Prënz Guillaume". Ungeduldig warten vor allem die vielen Kinder auf die Fahrt von Luxemburg nach Apach/Perl ins Dreiländereck. Mit dem Pfiff des Fahrdienstleiters setzen sich 1800 PS zischend und dampfend in Bewegung und hüllen den Bahnsteig in dichte Wolken.

Die Existenz der letzten luxemburgischen Dampflok ist dem gleichnamigen Verein "5519 asbl." aus Bettembourg, dem Bettembourger Gemeinderat, der Luxemburger Eisenbahn CFL und dem Staat zu verdanken. Jean-Pierre Steffens vom Verein "5519" erzählt: "Seit 1965 stand die Lok fast 22 Jahre im Bettembourger Park, schwer geschädigt durch Rost und Vandallen." Die komplette Demontage und der Zusammenbau der Lok in mehr als 7000 Arbeitsstunden durch den Verein "5519" war eine technische Meisterleistung. Den letzten Schliff erhielt die Dampflok im thüringischen Eisenbahnausbesserungswerk Meiningen. Nach fünfjähriger Restaurierung stand die Lok 5519 - ehemalige Kriegsbaureihe 42 der Deutschen Reichsbahn - endlich wieder unter Dampf. Seit 1992 ist die alte Dame im neuen Look bei vielen Fahrten in der Großregion zu sehen.Alle wollen die Lok 5519 sehen

Auch zur heutigen Fahrt sind rund 600 Eisenbahnfreunde von überall her gekommen. Es herrscht ein babylonisches Gewirr von Sprachen, aber auch die Dialekte aus der Eifel, dem Hunsrück und von der Mosel sind nicht zu überhören. Drei junge Männer aus dem Schwarzwald nehmen mit dem Mikrofon jedes Geräusch der Lok auf, damit ihre Modell-Lok 5519 zu Hause auch stilgerecht mit den echten Geräuschen fährt. Aus Düsseldorf ist ein Eisenbahnfan mit seinen beiden Söhnen angereist. Eine Gruppe ist aus England und Wales gekommen. Brian Garvin ist der Reiseleiter und sagt: "Als Mitautor eines Buches über Dampfloks muß ich für mein nächstes Buch spionieren." Beiläufig fügt er hinzu: "Wir sind das halbe Jahr in Europa mit Dampfloks unterwegs." Von nicht so weit her kommt Familie Hentges. Das Trierer Ehepaar ist von Eisenbahnen fasziniert und fährt öfters mit historischen Zügen. Auch Tanja und Christian Heck mit ihrer dreijährigen Tochter aus Bettingen in der Eifel freuen sich auf die Nostalgiefahrt. Die kleine Eva-Maria ist begeistert und nickt heftig mit dem Kopf: "Die Zugfahrt gefällt mir." Die Fahrt geht über Thionville nach Sierck-les-Bains. Beim Halt in Thionville lüftet Lokführer Guy Krumlowsky das Geheimnis der zwei Güterwagen hinter der Lok: "Es gibt keine Wasserstellen mehr, und deshalb brauchen wir einen Wasserwagen mit rund 30 000 Litern Inhalt. Der zweite Wagen ist der Werkstattwagen." Guy Krumlowsky und sein vierköpfiges Team müssen hart arbeiten, denn die Dampflok mit ihren vollbesetzten Waggons braucht ständig genügend Feuer unter dem Kessel. Bergauf leistet die Lok Schwerstarbeit, und riesige Dampf- und Qualmwolken steigen auf. Zurück bleibt in den Tälern ein dichtes weißes Wolkenband. Wind und Regen drücken die Dampfschwaden tief herunter. Auf Wiesen und Feldern entstehen haushohe Wolkengebilde, die wie große Zauberwesen über dem Boden schweben. Vorbei geht es an verfallenen Fördertürmen und Werkhallen des einst größten europäischen Stahl- und Kohlereviers.Schnaufend durch die Fensch

Viele Eisenbahnfreunde kommen mit dem Fahrgastschiff "Princesse Marie-Astrid" von Wasserbillig nach Sierck-les-Bains und lassen sich ein exquisites Mittagessen schmecken. In Sierck-les-Bains treffen sich das luxuriöse Fahrgastschiff und der Zug. Schiff und Zug machen nun eine Parallelfahrt bis nach Apach. Zurück in Sierck-les-Bains, wechseln viele Eisenbahnfreunde vom Zug auf das Schiff und freuen sich auf der Rückfahrt nach Wasserbillig auf ein leckeres Abendessen. Aber auch die "Nur-Zugfahrer" brauchen dank des reichhaltigen Angebots im Barwagen nicht zu verhungern. Echte Eisenbahner schwören auf Kesselwasser: hochprozentigen Kräuterlikör. Nach dem Aus- und Umsteigen zwischen Schiff und Zug fährt die 5519 mit ihrer Waggonlast durch das französische Fenschtal über Longuyon und Longwy nach Luxemburg zurück. An der Strecke stehen Fotografen, um dieses Dampflokrelikt im Bild festzuhalten. Sogar in der einbrechenden Dunkelheit werden noch Schnappschüsse gemacht. Unzählige Zuschauer an Fenstern und auf Balkonen winken dem Nostalgiezug zu. Jean-Pierre Steffens zieht das erste postive Resümee: "Durch die große Anzahl der Reisenden und den guten Umsatz bleibt dem Verein ein kleiner Gewinn." Nach der Ankunft auf dem Luxemburger Hauptbahnhof schießen die treuesten Eisenbahnfreunde noch ein Abschiedsfoto "ihrer" Lok 5519. Überall hört man den selben Kommentar: Wir sind bei der nächsten Fahrt wieder dabei. Auch Dampflokexperte Brian Garvin ist dieser Meinung: "Wir kommen wieder."

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