Wir wollen einfach nur Frieden

TRIER-SAARBURG. Drei ihrer vier Kinder sind hier geboren, sie leben seit 1991 im Landkreis Trier-Saarburg, sind integriert und sollen ausgerechnet am Tag des Flüchtlings, dem 30. September, in den Kosovo abgeschoben werden, wo ihnen Verfolgung und Verelendung droht.

Das Schicksal einer Familie der ethnischen Minderheit Ashkali, hat große Bestürzung bei ihren deutsche Mitbürgern ausgelöst, die sich nun verzweifelt für ein Bleiberecht einsetzen. Ende April 2005 einigte sich die Übergangsregierung der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) mit einer deutschen Delegation aus Vertretern des Bundesinnenministeriums und der Länder darauf, ab Mai 2005 mit der zwangsweisen Rückführung von Minderheiten aus dem Kosovo zu beginnen. Davon betroffen ist auch Familie Jahiri, Angehörige der 8000 Ashkali, die nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfB) seit mindestens sechs, oft aber mehr als zehn Jahren in Deutschland leben. Sie waren vor "ethnischen Säuberungsaktionen" geflohen in deren Verlauf Serben (1990 bis 1999) und albanische Extremisten (1999 bis heute) viele von ihnen umgebracht sowie Dörfer und Häuser völlig zerstört hatten. Noch 2004 gab es pogromartige Ausschreitungen, die zu einem Abschiebestopp aus Deutschland führten. Doch jetzt droht die Rückkehr in ein Land, dessen Sicherheitslage ein Positionspapier des Flüchtlingshilfswerks UNHCR (März 2005) nach wie vor als "zerbrechlich und unberechenbar" einstuft. Fleißig und gewissenhaft

Vor allem für die Ashkali, denen überdies Verelendung drohe, da sie keine Aussicht auf Arbeit, Bildung und medizinische Versorgung hätten. Familie Jahiri, hat Angst. Fatma Jahiri erzählt, ihr Schwager sei vor wenigen Wochen auf einer Reise von Deutschland in den Kosovo wegen 200 Euro erschossen worden. Sie hat gehört, das freiwillige Rückkehrer aus Deutschland, die mit Geld aus einem Hilfsprogramm zur Wiedereingliederung einreisten, gezielt ausgeplündert würden. Daher will die Familie weder ihren richtigen Namen noch ein Foto der Öffentlichkeit preisgeben. Weil sie Sozialhilfe bezieht, gehört sie denen, die zuerst ausgewiesen werden. Besonders tragisch, weil Vater Osman seine Familie eigentlich selbst ernähren wollte und sich, wie er mit Stempeln und Unterschriften von Firmen belegen kann, immer wieder um Arbeit bemüht hat. Doch niemand stellte ihn fest ein, da zwischen dem ersten abgelehnten Asylantrag (1995) und vier weiteren ebenfalls abgelehnten Folgeanträgen immer nur Duldungen von drei Monaten ausgesprochen wurden. Dennoch hat Osman gearbeitet, gemeinnützig, für Orts- und Verbandsgemeinde. "Er ist so fleißig und gewissenhaft, wir können nicht auf ihn verzichten. Und bei uns ist er durch seinen Einsatz sehr angesehen", sagt der Ortsvorsteher der Gemeinde, in der Familie Jahiri lebt. Der Kommunalpolitiker bemüht sich mit Unterstützung aus der ganzen Gemeinde um jede nur denkbare Möglichkeit, ihr zu einem Bleiberecht zu verhelfen. Er fand einen Arbeitgeber, der Osman schriftlich eine feste Arbeit in Aussicht gestellt hat. Doch die Bundesagentur für Arbeit beschied, dass er diese Stelle zugunsten potenzieller deutscher oder EU-Bewerber nicht annehmen darf. Besonders hart sind die Kinder der Familie betroffen. Drei von ihnen (10, 11 und 13 Jahre) sind in Deutschland geboren und sprechen die Sprache ihrer Eltern kaum. So, wie auch die Älteste (15), die sagt: "Ich sehe keine Zukunft." Sie ließ man, bei einer kurzfristigen Ausweisung 1998, wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht in die albanische Schule. Und sie hat schreckliche Erinnerungen: "Da liefen überall Soldaten herum, unser Haus war weg, und ich hatte furchtbare Angst." "Kein Problem eines einzigen Landes"

So wie jetzt. "Wir können gar nicht mehr schlafen", sagt die dreizehnjährige Schwester. "Jetzt fängt die Schule wieder an und wir sollen plötzlich weg in ein Land, das wir nicht kennen. Wir haben doch hier unsere Freunde." Mutter Fatma sagt: "Wir wollen ja gar nichts, nur einfach Frieden für unsere Kinder." Doch sie hätten, selbst wenn eine erneute Duldung erfolgte, keine Perspektive, denn sie dürften nach Ende der Schulzeit keine Ausbildung in Deutschland machen. "Was diesen Kindern passiert, verstößt gegen die Menschenwürde. Das ist eine Tragödie. Ich schäme mich für mein Land", sagt eine Nachbarin, die eine Kerze für die Familie brennen lässt. "Das ist kein Problem eines einzigen Landes, da müsste eine Lösung auf EU-Ebene oder von den Vereinten Nationen im Kosovo gefunden werden", meint die Anwältin, die jetzt den fünften Asylfolgeantrag gestellt hat. Zum Schicksal der Familie und ihrer Volksgruppe sagt sie bitter: "Sie tragen keinerlei Schuld an ihrer Misere, haben aber nirgendwo eine Perspektive, weil sie einfach als Menschen zweiter Klasse gelten." Im "Echo" veröffentlichen wir aktuelle Stellungnahmen unserer Leser zu TV-Artikeln. Sie sollten bis 16 Uhr in der Redaktion vorliegen und können maximal 30 Zeilen à 32 Anschläge lang sein. Name und Adresse bitte nicht vergessen. Fax 0651/7199-439 E-Mail: echo@volksfreund.de

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