Alle Bürger an Politik beteiligen

TRIER. Bereits 1996 kam der Name von Klaus Jensen, Ex-Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Sozialministerium, erstmals für das Amt des Oberbürgermeisters ins Gespräch. Im Herbst 2006 tritt er als freier Kandidat bei der Wahl an. Was sind seine Beweggründe für die Kandidatur? Wie steht es mit seiner Unabhängigkeit? Welche Vorstellungen hat er von Stadtpolitik? Wie gestaltet er seinen Wahlkampf und welche Ziele verfolgt er? Darüber sprach der TV mit Jensen.

Herr Jensen, vergeblich wurde in der Vergangenheit versucht, Sie zur OB-Kandidatur zu bewegen. Stets haben Sie abgelehnt. Woher rührt nun Ihr Sinneswandel?Jensen: Das hat mit meinen persönlichen Lebensumständen zu tun. Zunächst war ich Staatssekretär, dann starb meine Frau Helene, schließlich musste ich mich um meine drei Kinder und den Beruf kümmern. Da blieb für ein so verantwortungsvolles Amt keine Zeit. Jetzt sind meine Kinder beinahe erwachsen, ich bin frei in meinem Tun. Politisch war ich stets aktiv, und es reizt mich, die Entwicklung einer so schönen Stadt wie Trier zu gestalten. Welche Rolle spielte Ministerpräsident Kurt Beck bei Ihrer Entscheidung zur Kandidatur? Jensen: Natürlich habe ich zunächst mit meiner zweiten Frau Malu Dreyer geredet. Mit Kurt Beck habe ich ebenfalls gesprochen, er ist ein guter Freund. Er hat mir gut zugeraten. Dass er mich unter Druck gesetzt hat, ist Unsinn. Als ich mit ihm sprach, stand meine Kandidatur schon fest. Mit Ihrer Partei, der SPD, war Ihre Kandidatur nicht abgesprochen?Jensen: Nein. Ich habe allerdings einige Tage, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gegangen bin, die Partei informiert. Warum treten Sie als freier und nicht als SPD-Kandidat an?Jensen: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits entspricht das meinem Politikverständnis, das darauf beruht, nicht nur die Fraktionen im Stadtrat, sondern auch die Bürger und Experten frühzeitig an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Ich halte es für notwendig, Transparenz zu schaffen und die Öffentlichkeit über wichtige Sachverhalte in Kenntnis zu setzen. Dazu braucht es in Trier einen Politikwechsel. Außerdem muss ein Oberbürgermeister eine vermittelnde Funktion einnehmen und Brücken zwischen Stadtrat, Verwaltung und den Bürgern bauen. Schließlich bin ich von sehr vielen verschiedenen Leuten - von konservativ bis grün - angesprochen und um eine Kandidatur gebeten worden. Auch Verwaltungsmitarbeiter haben sich bei mir gemeldet. Gleichwohl wird von verschiedener Seite bezweifelt, dass Sie als SPD-Mitglied ein unabhängiger OB-Kandidat sein können.Jensen: Wer mich und meine Biographie kennt, wird daran nicht zweifeln. Als ich Staatssekretär wurde, war ich parteilos. Erst später bin ich in die SPD eingetreten, auch um Entscheidungsprozesse besser beeinflussen zu können. Im Übrigen heißt eine freie Kandidatur nicht, dass ich meine sozialdemokratischen Werte verleugne. Es ist schon traurig, dass sich einige Politiker nicht mehr vorstellen können, dass es jemand ehrlich meint. Wie wollen Sie sich angesichts chronisch leerer Kassen Gestaltungsspielräume schaffen, wenn Sie gewählt werden sollten?Jensen: Als Erstes werde ich eine schonungslose Bestandsaufnahme des Haushaltes vornehmen. Wenn der Haushalt dauerhaft defizitär ist, führt an einer Strukturreform kein Weg vorbei. Notwendig ist das gemeinsame Erarbeiten einer Prioritätenliste. Dann muss geschaut werden, ob Verschiebungen im Haushalt zugunsten der bevorzugten Projekte möglich sind. Meinen Sie mit dem Stichwort Strukturreform eine Verwaltungsreform?Jensen: Ja, auch. Bei sich ständig verändernden Rahmenbedingungen sind Reformen in der Verwaltung eine Daueraufgabe. Ich habe schon damals, als ich Staatssekretär im Sozialministerium und Amtschef von 4000 Mitarbeitern war, eine Verschlankung großer Landesbehörden bis zu 30 Prozent betrieben. Heute, zehn Jahre später, ist das geschafft. Auf die Stadt Trier bezogen muss die Frage gestellt werden, ob die bislang zu erfüllenden Aufgaben tatsächlich alle notwendig und finanzierbar sind. Danach wird zu entscheiden sein, ob alle 1200 Mitarbeiter unentbehrlich sind. Darüber muss mit den Beschäftigten und den Fraktionen offen diskutiert werden. Der Landesrechnungshof hat vor geraumer Zeit gefordert, aus fünf Dezernaten vier zu machen.Jensen: Beim Sparen fängt man immer oben an, um glaubwürdig zu sein. Flache Hierarchien sind unumgänglich. Stichwort Wahlkampf: Wer finanziert Ihren, wer hilft?Jensen: Ich finanziere meinen Wahlkampf selbst und hoffe dabei auf Spenden, wobei ich keine Spendenquittungen ausstellen kann. Außerdem werde ich ein unabhängiges Wahlkampfteam zusammenstellen. Der Wahlkampf wird anders ablaufen als gewohnt. Ich setze nicht auf Plakate, sondern auf öffentliche Diskussionen mit Bürgern über die Frage, welche Problemlösungen Trier braucht. Ein Wort zu Ihren potenziellen CDU-Gegnern, den Dezernenten Georg Bernarding und Ulrich Holkenbrink.Jensen: Beide sind nette Herren. Wir werden uns immer freundlich begegnen, egal, wer von Ihnen kandidiert. S Mit Klaus Jensen sprach TV-Redakteur Frank Giarra

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