Angriff im Bordell: Verdächtiger auf freiem Fuß

Trier · Der Fall sorgte im Februar für großes Aufsehen: Ein Mann griff eine Prostituierte in einem Trierer Bordell brutal an und verletzte sie schwer. Die Polizei fasste ihn kurze Zeit später, seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß – Richter in Koblenz haben die Untersuchungshaft aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Verdächtigen vor, eine 34 Jahre alte Prostituierte in einem Bordell in der Luxemburger Straße ohne Vorwarnung angegriffen und ihren Kopf gegen eine Wand geschlagen zu haben. Das Opfer erlitt schwere Frakturen im Gesicht und massive Kopfverletzungen. Die 34-Jährige wurde hilflos in ihrem Zimmer gefunden. Der mutmaßliche Täter, ein mehrfach vorbestrafter 21-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Zell im Landkreis Cochem-Zell, wurde Anfang März festgenommen und vom Haftrichter in Untersuchungshaft geschickt (der TV berichtete).

Aus dieser Haft kam er jetzt wieder frei. Dahinter steckt kein Freispruch vor Gericht, denn der Prozess hat noch nicht begonnen. Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Otmar Schaffarczyk aus Trier, hatte Haftbeschwerde für seinen Mandanten eingelegt. Das Oberlandesgericht Koblenz gab dieser Beschwerde statt und hob den Haftbefehl auf.

"Es besteht keine Fluchtgefahr", sagt Schaffarczyk "Hier hat sich das Oberlandesgericht meiner Sichtweise angeschlossen. Und das Argument der Wiederholungsgefahr wurde vom OLG mit einer Ohrfeige für das Amtsgericht Trier zurückgewiesen." Sein Mandant sei zwar vorbestraft, das räumt Schaffarczyk ein. "Aber diese Vorstrafen liegen vier und fünf Jahre zurück. Außerdem hat er dabei keine extreme Gewalt gezeigt, sondern in einem Fall lediglich jemandem ein Bein gestellt." Die Wiederholungsgefahr basiere aber auf der Annahme, dass der Verdächtige vor seinem Prozess weitere Straftaten gleicher Art begeht, so dass die Haft zur Abwehr drohender Gefahren notwendig ist. "Das liegt hier offensichtlich nicht vor", sagt Rechtsanwalt Schaffarczyk.
Tobias Eisert, Sprecher des Oberlandesgerichts, bestätigt Schaffarczyks Darstellung: Der erste Strafsenat habe den Haftbefehl am 22. August aufgehoben. "Der Mann ist zwar dringend verdächtig, die Tat begangen zu haben", so Eisert. "Aber eine Flucht- oder Wiederholungsgefahr sieht der Senat nicht." Eine Fluchtgefahr bestehe nur, wenn eine besonders hohe Freiheitsstrafe im Raum stehe - doch gerade das ist laut Eisert im Fall des beschuldigten 21-Jährigen nicht zu erwarten.

"Laut dem vorläufigen Gutachten eines Sachverständigen war seine Steuerungsfähigkeit während der Tat stark beeinflusst", erläutert der Sprecher des OLG. "Er hatte demnach zwei Promille Alkohol im Blut und stand möglicherweise auch unter dem Einfluss von Drogen." Das könnte, so Eisert, zu einer eingeschränkten oder sogar aufgehobenen Schuldfähigkeit führen (siehe Extra). Verteidiger Schaffarczyk bestätigt: "Es kann sein, dass er wegen eines Vollrauschs schuldunfähig ist."
Extra Schuldunfähigkeit:

Ein Angeklagter kann eine Tat im Vollrausch begehen und deshalb von diesem Tatvorwurf freigesprochen werden - straffrei kommt er deshalb dennoch nicht weg. Denn das Strafgesetzbuch sagt im Paragrafen 323a: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist."
Wer sich vorsätzlich betrinkt und von Anfang an weiß oder sogar plant, im Rausch eine Straftat zu begehen, fällt nicht unter den Paragrafen 323a, sondern kann wie ein normaler nüchterner Täter bestraft werden. Feste Promillegrenzen für eine Schuldunfähigkeit gibt es nicht.

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