Big Brother auf der Liegewiese

TRIER. Das Südbad erfüllt das "soziale Bedürfnis großer Bevölkerungsschichten", sagt Sportdezernent Georg Bernarding. Man könnte es auch einfacher formulieren: Das Südbad ist eine der letzten Oasen in der zur Wüste mutierten Region, die dorthin strömenden Bevölkerungsschichten suchen und finden Abkühlung. Und auch das Soziale kommt nicht zu kurz.

Rudolf (alle Namen auf eindringliche Bitte ihrer Inhaber geändert) hat die Lage im Griff. Beladen mit Matten und einem rustikalen Sonnenschirm schweift sein Blick über das Gewimmel im Südbad - ein Feldherr am Morgen vor der Schlacht. "Hierhin, unter den Baum", weist er seine Familie an. "Da gibt's Schatten." Womit er den pubertären Sohnemann zum Untergraben der väterlichen Autorität aufgefordert hat. "Warum haben wir denn dann dieses alte Ding mitgenommen?" Er meint den Sonnenschirm.Der fußlose Sonnenschirm

Rudolfs vernichtender Blick trifft nur noch die Rücken seiner drei Nachkommen, die Richtung Becken verschwinden. "Geht vorher duschen", ruft ihnen Mutter Andrea hinterher. Matte ausbreiten, sich darauf niederlassen, ein verdächtig nach romantischer Literatur aussehendes Taschenbuch auspacken - für sie eine Sache von Sekunden. Rudolf baut derweil den Sonnenschirm auf. Der Sonnenschirm fällt um. "Hast du denn den Standfuß nicht mitgenommen?", fragt Andrea. Rudolf baut den Sonnenschirm wieder ab. Als er des TV-Reporters gewahr wird, verwandelt sich Ärger in Belustigung. "Wir kommen gerne und oft hierher, auch wenn es im Moment nicht so aussieht." Andrea lacht. "Das Südbad ist ein Muss im Sommer." Ein Platz im Schatten interessiert die Clique nicht. Sechs Jungs, vier Mädels, jede Menge Streitgespräche. Bernd (15) glaubt zuerst an einen Scherz. "Wir kommen in die Zeitung? Krass." Zwei Minuten lang Ruhe und weibliches Gekicher, danach hat man sich an den Big-Brother-Status gewöhnt. Ein fünftes Mädel trabt heran. "Was hast du ihr denn jetzt erzählt?", faucht sie in die Runde. Einer der Jungs fühlt sich angesprochen. "Gar nix, eh", bringt er heraus, tritt aber bereits den Rückzug an und flüchtet zum Sprungturm. Mädel Nummer fünf folgt ihm mit blitzenden Augen, die Clique gröhlt vor Lachen. Worum ging es hier? "Der hat Probleme mit seiner Ex", erklärt Bernd hilfsbereit. Kommt schließlich alles in die Zeitung. "Er wird sie einfach nicht los." Kurzer Themensprung zum Südbad: "Für uns gibt's bei der Hitze nichts besseres. Und außerdem ist immer was los." Wie man eben deutlich sehen und hören konnte. Der Sprungturm ist die Stätte der Mutigen - oder der Schmerzfreien, je nach Interpretation. Robert (13) steht oben. Er springt ab, dreht sich in der Luft und schlägt mit dem Gesäß auf. "Das tat aber weh", kommentiert eine weibliche Stimme vom Beckenrand. Robert, mittlerweile wieder aufgetaucht, knurrt nur "Mann oder Memme?" Auf Anfrage erklärt er seine Südbad-Philosophie, die untrennbar mit dem Sprungturm verbunden ist: "Ich kann nicht in der Sonne liegen, da geht man doch ein. Springen macht viel mehr Spaß." Ein Sommer ohne Südbad? Unmöglich, meint Robert. "Wieso, wollen die das Teil jetzt echt zumachen?" Noch nicht, aber die Stadt hat kein Geld für eine umfassende Sanierung. "Für jeden Mist haben die Geld, aber für das wichtigste Teil nicht. Ohne das Südbad geht gar nichts, da kannst du jeden fragen." Kurze Denkpause, und dann im Brustton der Entschlossenheit: "Schreib das mal in die Zeitung." Schon passiert. Die Bürgerinitiative "Rettet das Südbad" trifft sich am Donnerstag um 19.30 Uhr in der Gaststätte "Zum alten Brauhaus" in Trier-Heiligkreuz.

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