Das Geschäft mit der Luft

TRIER. Nationale und internationale Firmen lassen ihre Artikel in der Lebenshilfe-Werkstatt fertigen oder verpacken. Damit verringern sie durch optimale Platzausnutzung ihre Beförderungskosten. Ziel: möglichst wenig Luft transportieren.

 Arbeit für Auftraggeber: An seinem Arbeitsplatz in der Trierer Lebenshilfe-Werkstatt vernietet Sascha Dres Verriegelungen für Motorhauben. TV-Foto: Claudia Neumann

Arbeit für Auftraggeber: An seinem Arbeitsplatz in der Trierer Lebenshilfe-Werkstatt vernietet Sascha Dres Verriegelungen für Motorhauben. TV-Foto: Claudia Neumann

"Wir sind sozusagen eine verlängerte Werkbank für Industriebetriebe", sagt Geschäftsführer Ulrich Schwarz. Die 310 geistig behinderten Mitarbeiter der Trierer Lebenshilfe-Werkstatt fertigen in der Diedenhofener Straße für "Global Player" unterschiedlichste Teile an, fügen sie zusammen, montieren oder verpacken sie. Aber auch Handels- und Dienstleistungsunternehmen nehmen die Dienste der Lebenshilfe in Anspruch.Auswirkungen der Globalisierung

Die Auswirkungen der Globalisierung seien in den Jahren 1997 und 1998 erstmals spürbar gewesen, berichtet Schwarz. "Damals sind der Lebenshilfe viele Aufträge verloren gegangen." Eine zweite Welle habe die Trierer Werkstatt erreicht, als das Internet eingeführt wurde. Billige Produkte ließen sich damit in Ländern wie Tschechien, Polen oder in Fernost noch einfacher ordern. "Der Wettbewerb ist härter geworden, das hat einen heilsamen Innovationsdruck ausgelöst", sagt Schwarz. Man sei plötzlich gezwungen gewesen, neue Wege zu beschreiten. Dabei laufe das Geschäft mit der Globalisierung inzwischen auf zwei Schienen ab, ergänzt Andreas Martin Neumann, kaufmännischer Leiter der Lebenshilfe. Zum einen würden die hier hergestellten Erzeugnisse weltweit weiter verarbeitet. Beispielsweise stünde die Werkstatt mit den hergestellten Autoteilen, die in anderen Ländern in Fahrzeuge eingesetzt werden, am Anfang einer globalen Kette. Andererseits kommen in der Lebenshilfe Produkte aus Billiglohnländern an, die hier im Auftrag von Großhändlern für den deutschen Markt aussortiert und verpackt werden. Besonders die Problematik der oft enormen Transportkosten beschere der Trierer Lebenshilfe volle Auftragsbücher. So seien etwa die hergestellten hölzernen Transportverschläge von den reinen Produktionskosten her zwar teurer als ihre Gegenstücke aus Osteuropa. Da sie aber sehr sperrig seien, lohne es sich für den Auftraggeber aus Luxemburg nicht, sie in der Ferne fertigen und dann unter großem Aufwand hierher schaffen zu lassen. Den Kunden gehe es dabei vor allem darum, "nicht so viel Luft zu transportieren", nennt Neumann das Prinzip beim Namen. Und das funktioniere auch in umgekehrter Richtung. So erreichen beispielsweise riesige Gebinde in Fernost produzierter Baubeschläge die Lebenshilfe-Werkstatt. Hier stellen die Mitarbeiter sie zu den Kleinst-Einheiten zusammen, die schließlich mit voluminöser Umverpackung in den deutschen Baumärkten landen. "Veredelung am Ende der Produktionskette", sagt Neumann dazu.Höhere Löhne für die Angestellten

Dass der Umsatz gewachsen sei, lasse sich auch daran ablesen, dass den Mitarbeitern höhere Löhne ausgezahlt werden können. "Als gemeinnützige Organisation, die zu 70 Prozent von den Sozialhilfeträgern mitfinanziert wird, gibt die Lebenshilfe ihre erwirtschafteten Überschüsse an die behinderten Mitarbeiter weiter", sagt Schwarz. Je nach Qualifizierung seien das 80 bis 550 Euro brutto pro Monat. Außerdem würden Material- und Maschinenkosten daraus finanziert. "Chancen und Risiken liegen in punkto Globalisierung dicht beieinander", fasst Schwarz zusammen. Die Lebenshilfe habe die Herausforderung angenommen und davon profitiert. In Kürze soll eine benachbarte Halle angemietet werden, um die räumlichen Kapazitäten für großvolumige Aufträge zu erweitern.

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