Das große Problem der letzten Ruhe

Immer weniger traditionelle Erdbestattungen, aber riesige Flächen mit hohen Kosten: Das drängende Friedhofsproblem der Stadt Trier holt die Kommunalpolitik ein. Ein Gutachten liegt vor, im Herbst soll es diskutiert werden.

Trier. Der große Umschwung auf den Trierer Friedhöfen - weg von der Platznot Mitte der 90er Jahre hin zu nur noch 310 traditionellen Erdbestattungen im vergangenen Jahr - ging einher mit der Bereitstellung der Krematorien im Umland: Anfang der 90er Jahre stand Thionville in Frankreich zur Verfügung, wenige Jahre später kam Luxemburg, danach Koblenz, Braubach und Hermeskeil. Als Folge kauften die Angehörigen der Verstorbenen nicht mehr große Grabstätten für Erdbestattungen - es genügte wenig Platz für Urnen. Die Friedhöfe leerten sich mehr und mehr.

Die 17 Friedhöfe der Stadt Trier bedecken insgesamt eine Fläche von etwa 37 Hektar. Zieht man die rund sieben Hektar für die Gebäude, Kriegsgräber, Wege, Grünflächen etc. ab, so bleiben als Fläche für Grabstätten (inklusive öffentliche Grünanlagen) rund 30 Hektar übrig. Das gefürchtete, jede Hoffnung abtötende Wort lautet: Flächenüberhang. Der Flächenüberhang - das ist das "Zuviel" an Friedhofsfläche, jenen Grundstücken, die nicht mehr benötigt werden, aber viel Geld für Unterhalt und Pflege kosten. Michael Heimes, stellvertretender Amtsleiter des Grünflächenamtes: "In Trier haben wir einen Flächenüberhang von rund zehn Hektar. Das wird sich in Zukunft noch verschärfen."

Heute schon heißt das: Die Friedhöfe arbeiten bei weitem nicht kostendeckend. Heimes: "Das Haushalts-Defizit lag 2007 bei 250 000 Euro - der Anteil, den die Stadt zuzahlen musste. Hinzu kamen aus dem Haushalts-Etat Grün- und Parkanlagen noch einmal 164 000 Euro, denn ein Friedhof hat auch eine Funktion als öffentliche Parkanlage und Erholungsgebiet. Das rechtfertigt diese Zuzahlung aus dem Gründflächen-Etat." Unterm Strich bedeutet das: Im Jahr 2007 kosteten die Friedhöfe die Stadt rund 414 000 Euro. Und es wird in Zukunft nicht billiger.

Schließungen oder Stilllegungen?



Trier steht mit diesem Szenario nicht allein da. Laut Aeternitas e.V., der Verbraucherinitiative Bestattungskultur, verzeichnet Berlin einen gigantischen Flächenüberhang von 826 Hektar (gesamt: 1400 ha). In Koblenz sind 25 Hektar von insgesamt 110 Hektar zuviel da. Man habe, so heißt es bei Aeternitas, bisher pro Einwohner und Grab stets einen Flächenbedarf von etwa 4,5 bis sieben Quadratmetern prognostiziert. Der steigende Anteil an Urnenbestattungen und an Beisetzungen außerhalb der Friedhöfe, außerhalb des Landes, habe diese Zahlen auf maximal 2,5 bis vier Quadratmetern pro Bürger schrumpfen lassen. Dies alles lässt sich nicht schönreden - und zwingt die Politik zum Handeln. Die Stadt gab ein Gutachten in Auftrag (der TV berichtete). Es liegt vor, im Herbst soll das Friedhofs-Konzept in den Parteien und Gremien diskutiert werden.

Endlich wird dann das Geheimnis gelüftet, was getan wird. Werden Friedhöfe geschlossen? Einige wenige? Alle bis auf die größten? Wird das Sparziel durch die bloße Verkleinerung einiger Friedhöfe erreicht? Werden lediglich Erweiterungsflächen am Rand der Friedhöfe wieder einer anderen Nutzung zugeführt? Sicher ist: Es geht um viel Geld. Also wird "zwangsläufig etwas geschehen müssen", wie zu hören ist. Und man werde "sicher auch die Schließung einiger Friedhöfe diskutieren". Für einige habe wohl die letzte Stunde geschlagen. Natürlich, so wird getröstet, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ruhefristen, wonach Erd- und Urnengräber innerhalb von 20 Jahren nach der Bestattung nicht angerührt werden dürfen.

In den nächsten Jahren ändert sich also nichts für die Bürger? Falsch! Die Entscheidung der Rathaus-Politik betrifft die Menschen in Trier schon heute. Denn egal, was die Politiker entscheiden - die Schließung von Friedhöfen oder nur die Stilllegung von Teilflächen - diese bestimmten Friedhofsgebiete sind dann "Sperrbezirk". Das heißt: Dort lässt man die Fristen aller bestehenden Grabstätten (Ruhefristen, Nutzungsfristen) auslaufen. Und dort dürfen dann keine Bestattungen mehr stattfinden. Tritt ein Todesfall ein, darf der Vater nicht mehr neben der Mutter im Familiengrab beerdigt werden. Die Tochter nicht neben den Eltern. Die Frau nicht neben ihrem Mann. Familien werden in ihrer letzten Ruhe auseinander gerissen. Innerhalb der gesetzlichen Ruhefristen ist die Totenruhe per Gesetz geschützt. Die Ruhe der Lebenden hingegen dürfte gestört sein. "Nun hat die liebe Seele Ruh'" (Lukas 12, Vers 19) - wann wird das wieder sein?

Meinung

Sachlich Lösungen finden

Bei den Trierer Friedhöfen zeichnet sich ähnlich wie beim Schulentwicklungskonzept eine heiße politische Debatte ab. Verwunderlich ist das nicht, denn es geht in beiden Angelegenheiten um Menschen und Emotionen. Leider gibt es noch eine weitere, wenig erbauliche Parallele: Die Fakten liegen noch gar nicht vollständig auf dem Tisch, da preschen einzelne Parteien bereits vor und verabreichen der Bevölkerung in vorauseilendem Gehorsam lauthals Beruhigungspillen. So hat die CDU wissen lassen, mit ihr werde es Friedhofsschließungen in einzelnen Stadtteilen nicht geben. Dieses seltsame und populistische Vorgehen kommt aber faktisch einer Verneinung des Problems gleich, und damit ist keinem gedient. Die Union wird ebenso wie die anderen Fraktionen sachlich und nüchtern beschließen müssen, was bei sinkender "Nachfrage" nach Gräbern mit den Flächen geschehen soll, die offensichtlich nicht mehr gebraucht werden, und wie sich die Kosten in den Griff bekommen lassen. f.giarra@volksfreund.de

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