Der Stadtrat und die Tücken der Technik: Hände hoch geht manchmal schneller

Da freut man sich wie ein Schneekönig über die neue Technik – und dann funktioniert sie erst mal nicht. So ist es den Trierer Stadtratsmitgliedern am Donnerstagabend ergangen. Teilweise war aber auch der Faktor Mensch schuld an den Start-Problemen.

 53 abgegebene Stimmen bei 45 Anwesenden? Der erste Versuch der neuen Abstimmung geht schief.

53 abgegebene Stimmen bei 45 Anwesenden? Der erste Versuch der neuen Abstimmung geht schief.

Foto: Michael Schmitz
 Noch mal dumm gelaufen: Die Haushaltssatzung wird beschlossen - steht aber gar nicht zur Abstimmung.

Noch mal dumm gelaufen: Die Haushaltssatzung wird beschlossen - steht aber gar nicht zur Abstimmung.

Foto: Michael Schmitz
 Dann eben so: Hände hoch, Stimmen zählen. Das funktioniert auch ohne Elektronik.

Dann eben so: Hände hoch, Stimmen zählen. Das funktioniert auch ohne Elektronik.

Foto: Marcus Hormes

1000 Meter Kabel wurden im Saal verlegt, neue Tische, neue Stühle, neue Mikrofone und Lautsprecher und vor allem Touchdisplays angeschafft, damit die Abstimmungen künftig elektronisch ablaufen können. 250?000 Euro hat die Stadt dafür im großen Rathausaal investiert. Die Stadtratsmitglieder haben im Vorfeld extra eine Übungseinheit eingelegt, um sich mit der neuen Abstimmungsanlage vertraut zu machen. Viele sind auch mächtig stolz, machen während der Sitzung Handyfotos und posten sie auf Facebook und Twitter. Oberbürgermeister Wolfram Leibe eröffnet die Sitzung und zeigt sich ebenfalls hoch erfreut darüber, dass die rund 60 Jahre alte Einrichtung runderneuert und die Technik auf neuestem Stand ist - doch dann gehen die Problemchen los. Gleich zu Beginn soll - wie immer - abgestimmt werden, ob Film- und Fotoaufnahmen von der Sitzung erlaubt sind. Leibe bittet zur Abstimmung. Rasend schnell wird das über die Displays eingesammelte Ergebnis angezeigt: Aktuell anwesend: 45. 26 Jastimmen, 26 Enthaltungen, 1 Neinstimme. 53 abgegebene Stimmen bei 45 anwesenden Ratsmitgliedern - da stimmt doch was nicht. Gemurmel. Ratlose Blicke zu den gleich vier anwesenden Technikern. Offenbar haben sich nicht alle anwesenden Ratsmitglieder richtig eingeloggt. Zweiter Versuch, auch der geht schief. Also wird per Hand abgestimmt, die beiden Mitarbeiterinnen des Sitzungsdienstes zählen und notieren.
Die Sitzung läuft erst mal weiter, was auch unproblematisch ist, denn die Verwaltung beantwortet Anfragen der Stadtratsfraktionen. Dazu gibt es keine Abstimmungen. Um 18.15 Uhr verkündet der OB, die elektronische Abstimmung werde nun funktionieren. Und tatsächlich, der Antrag von CDU und Grünen über die versuchsweise Einführung von Pfandflaschenbehältern an städtischen Mülleimern wird mit 52-Jastimmen angenommen.

Mehr Stimmen als Mitglieder

Verwirrung gibt es allerdings erneut, weil Stimmen von Ratsmitgliedern, die gar nicht gedrückt hatten, als Enthaltungen gewertet wurden. Man kann an Abstimmungen aber auch bewusst nicht teilnehmen, was etwas anderes ist, als sich der Stimme zu enthalten. Das moniert unter anderem SPD-Fraktionschef Sven Teuber. Auch bei der wenig später folgenden Abstimmung zur Änderung der Hauptsatzung läuft es nicht ganz rund: CDU-Fraktionschef Udo Köhler fällt auf, dass bei der CDU 19 Jastimmen und eine Enthaltung gezählt werden - es sind aber nur 19 CDU-Stadtratsmitglieder anwesend. Das Problem stellt sich als Programmierfehler heraus. Ein Mitarbeiter der Technik nimmt den Fehler auf sich, verspricht, ihn so schnell wie möglich zu beheben. OB Leibe wischt rechtliche Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit der Beschlüsse mit Hinweis auf die nach wie vor stattfindende Protokollierung der Sitzung hinweg.
Die neuen Möglichkeiten des Rathaussaals nutzt Leibe dann bei der Einbringung des Doppelhaushalts 2017/18. Auf den fünf Großbildschirmen zeigte er den Ratsmitgliedern, Zuschauern und der Presse mehrere Folien mit Zahlen, die seine Argumentation stützen sollen. Nachdem er seine Einbringungsrede derart modern aufgepeppt gehalten hat, sorgt der nächste Fehler im System aber erneut für größeres Schmunzeln.

Aus Versehen beschlossen

Der Haushalt steht plötzlich zur Abstimmung und wird - die Bildschirme zeigen es an - auch gleich von 41 Ratsmitgliedern beschlossen, bei einer Enthaltung. Das freilich geht überhaupt nicht, denn ein Beschluss ist in der Sitzung gar nicht vorgesehen. Der Haushalts-Vorschlag des Oberbürgermeisters geht jetzt erst mal in die Fraktionen, auch die Bürger dürfen sich beteiligen, und dann folgt der Beschluss in der Regel erst Ende des Jahres in der Dezembersitzung. "Das war mein Fehler", sagt der OB zur ungewollt ausgeführten Abstimmung schmunzelnd, "aber es hätte beinahe funktioniert."
Immerhin: Die Mikrofone und Lautsprecher bestehen gleich beim ersten Mal den Härtetest, die Ratsmitglieder sind im ganzen Saal gut zu verstehen. Probleme gibt es nur bei zwei grünen Fraktionsmitgliedern. Dominik Heinrich und Peter Hoffmann starten ihre Redebeiträge mit lauten Rückkopplungen. Dass es bei den Grünen gleich doppelt piept, sorgt dann aber auch weniger für Ärger als für gelassene Heiterkeit.

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