Die "Sternenkinder" sind immer dabei

Plötzlich zerplatzt das Glück wie eine Seifenblase: Jede dritte Frau hat in ihrem Leben eine oder mehrere Fehlgeburten erlitten. Totgeburten sind trotz fortgeschrittener Pränataldiagnostik keine Ausnahme. Viele Betroffene reden nicht darüber. Karolin Calderón hat nie geschwiegen. Ihre verstorbenen Kinder sind ein Teil ihres Lebens.

 Die kleine Catalina ist Einzelkind und doch nicht alleine. Ihre verstorbenen Brüder Simon und Samuel gehören für ihre Mutter Karolin Calderón zur Familie – ganz ohne Sentimentalität. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Die kleine Catalina ist Einzelkind und doch nicht alleine. Ihre verstorbenen Brüder Simon und Samuel gehören für ihre Mutter Karolin Calderón zur Familie – ganz ohne Sentimentalität. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier-Heiligkreuz. Karolin Calderón sitzt im Garten, ihr Töchterchen Catalina auf dem Schoß. Die Kleine wird Einzelkind bleiben - mit zwei Brüdern.

Was sich ungewöhnlich anhört, hat einen tragischen Hintergrund. Karolin Calderón erlitt mehrere Fehlgeburten. Sie wurde erneut schwanger. Dann, ganz plötzlich im achten Monat, starb ihr Sohn Simon im Mutterleib.

"Am Schlimmsten ist die Stille nach der Geburt. Diese Stille erträgt man nicht", weiß die 42-Jährige. "Die erste Zeit war ein Ringen mit mir selbst und dem Leben." Anfangs wollte sie nicht aus dem Haus. Wenn plötzlich der Babybauch weg und kein Kind da sei - das werfe Fragen auf, denen man sich nicht gewachsen fühle.

Hilfe habe sie bei der Selbsthilfegruppe "Gute Hoffnung, jähes Ende" gefunden, eine Gruppe von Eltern in Trier, die Kinder während der Schwangerschaft oder bei der Geburt verloren haben.

"Für mich war es wichtig zu wissen, ich bin nicht allein." Die Ärzte seien oft hilflos, könnten mit dem psychischen Aspekt nicht umgehen. "Man erhält eine Diagnose und muss das Kind zur Welt bringen", sagt die Mutter aus Heiligkreuz. Statt um die Babyausstattung müssen sich die Betroffenen plötzlich um die Bestattung kümmern; statt einer Wiege müssen sie einen kleinen Sarg aussuchen.

Für Calderón ist die Selbsthilfegruppe eine wichtige Station für die erste, schwierige Zeit. "Hier ist immer Raum und Zeit für meine Trauer." Gerade anfangs sei es wichtig, geleitet zu werden, weil "es sehr emotional zugeht". Leiterin ist Diplom-Pädagogin Clarissa Schmitthüsen, die langjährige Erfahrung in der Trauerbegleitung hat.

Über den Tod von Kindern werde nicht offen gesprochen, sagt Calderón. "Bei Fehlgeburten ist es katastrophal, weil man es den Betroffenen nicht ansieht." Sie erwarten Mitgefühl und, dass sie in ihrem Kummer ernst genommen werden.

Doch die meisten Menschen könnten nicht damit umgehen, seien überfordert, ist sich Calderón sicher. "Einige haben sich von mir abgewandt, weil sie es nicht ertragen konnten."

Auch ihr zweiter Sohn Samuel starb, Anfang des fünften Monats. "Sternenkinder" wie er werden gesegnet und bestattet; in Trier auf der "Krokuswiese" oder "Sternenwiese" auf dem Hauptfriedhof. "Meine Söhne haben dort ein gemeinsames Grab, das ich sehr oft besuche."

Karolin Calderón und ihr Mann haben auch an eine Adoption gedacht. Doch ihr Glaube an ein eigenes Kind wurde belohnt. Die Angst während der Schwangerschaft sei da gewesen. Groß die Freude, als Catalina Ende 2006 gesund zur Welt kam. "Sie ist kein Ersatz", betont ihre Mutter. "Sie hat Geschwister, die ebenso zur Familie gehören." Die Kleine schmälere die Trauer um die "Sternenkinder" nicht. "Wir wünschen uns, dass unsere verstorbenen Kinder respektiert werden."

Es sei nicht viel, was außer der Erinnerung bleibe: Ein Fußabdruck, eine Haarlocke, ein Foto oder ein Ritual. Bei Calderóns brennen jeden Abend Namenskerzen für Simon und Samuel. "Unsere Kinder sind immer dabei."

Ansprechpartnerin für die Trierer Selbsthilfegruppe "Gute Hoffnung, jähes Ende" ist Margit Müller, Telefon 0651/18746. Weitere Informationen zum Grabfeld auf der "Krokuswiese" oder der "Sternenwiese" auf dem Trierer Hauptfriedhof sind erhältlich im Internet unter www.sternenkinder-trier.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort