Die Stille vor dem Sturm

Auf die Hauptschulen im Lande kommen in den nächsten Jahren stürmische Veränderungen zu. "Wir haben einiges in die Realschule plus einzubringen", sagt der Leiter der Pestalozzi-Hauptschule, Markus Lehnert, selbstbewusst. Wenn es um neue Lernformen geht, ist seine Schule ein Vorreiter.

 Vorreiter für neue Lernformen: die Pestalozzi-Hauptschule in Trier. TV-Foto: Dieter Lintz

Vorreiter für neue Lernformen: die Pestalozzi-Hauptschule in Trier. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Es ist still morgens um halb neun in der Pestalozzi-Hauptschule. Merkwürdig still. Zumal die meisten Klassenräume offen stehen. Fast ein bisschen unheimlich. Schulausflug? Vollversammlung in der Aula? Nix von alledem. "Das ist unsere FSA", klärt Schulleiter Markus Lehnert auf. FSA heißt für Nicht-Pädagogen: "Freie Stille Arbeit". Jeder Schüler sitzt ruhig an seinem Platz und arbeitet für sich. Manchmal auch mit dem Nachbarn, aber ganz leise. Nicht irgendwann mal zwischendurch, weil dem Lehrer nichts einfällt. Sondern jeden Morgen von 7.55 Uhr bis 9.35 Uhr. Kein Klingelzeichen, keine Pause - wer mal muss oder Hunger hat, darf einfach rausgehen. Wer will, kann sich seinen Arbeitsplatz auch im PC-Raum oder in einer "Rückzugsecke" innerhalb der großzügig dimensionierten Schul-Räumlichkeiten suchen. Friedlichkeit, Ruhe und Gelassenheit im Schul-Alltag

Man ist versucht, zu sagen: Das kann nicht gut gehen. "Es funktioniert sehr gut", hält Markus Lehnert dagegen und verweist auf die Leistungsfähigkeit der Pestalozzi-Schüler, aber auch auf "die Friedlichkeit, die Ruhe, die Gelassenheit im Schul-Alltag". Der Lern-Erfolg beruht darauf, dass jeder Schüler präzise Lernaufgaben und -ziele erhält, die er innerhalb einer Woche erledigen muss. Über die Reihenfolge darf er selbst entscheiden. Die Lehrer geben die Aufgaben vor und begleiten den Umsetzungsprozess. Je nach Klassenstufe richtet sich auch die Intensität, mit der sie die Ergebnisse überprüfen. Aber auch in die Leistungskontrolle sind die Schüler je nach "Reifegrad" eingebunden.Für die Lehrer bedeutet das ein deutliches Mehr an individueller Vorbereitungsarbeit. "Da geht manches Wochenende drauf", berichtet eine Lehrerin. Im Gegenzug entfällt wiederum ein Drittel des klassischen Frontalunterrichts - und damit auch ein beachtlicher Teil des nervigen Kampfes gegen Lärmpegel, Konzentrationsschwächen und Störfaktoren. "Weniger Stress für alle, höhere Selbstdisziplin, mehr eigenverantwortliches Lernen" diagnostiziert Markus Lehnert als Folge der Innovation. Gerade für Hauptschüler in der Berufsvorbereitung wichtige Ziele. Kombiniert wird die FSA mit der Bearbeitung von "Epochenthemen" quer durch alle Klassen. So entsteht eine neue Struktur des Unterrichts, für die sich auch andere Schulen oder Wirtschaftsvertreter interessieren. "Jeder kann sich das gerne ansehen kommen", versichert Markus Lehnert.Innenhof wegen Baufälligkeit geschlossen

Der vergleichsweise junge Rektor redet viel lieber über Konzepte, über Leitbilder und Entwicklungsziele als über die Probleme seiner Schule. Dabei reicht ein Blick aus dem Fenster auf den wegen Baufälligkeit geschlossenen, heruntergekommenen Innen-Schulhof, um festzustellen, dass die Pestalozzi-Schule keine Insel der Seligen ist. Die Fachräume könnten eine Auffrischung brauchen, die alten Holz-Garderobenkästen in den Fluren sind nicht mehr up to date. Aber in Sachen Ausstattung, sagt Lehnert, "gibt es bei uns nicht viel zu meckern". Von der Außenfassade her dürfte Pestalozzi die bekannteste Schule Triers sein, liegt sie doch direkt an der vielbefahrenen Moseluferstraße, in unmittelbarer Nachbarschaft der Feuerwache. Das Gebäude beherbergte das Treveris-Gymnasium, bevor die Pestalozzi-Schule aus ihrem baufälligen Domizil in der Zuckerbergstraße dorthin umsiedelte. Ursprünglich sollte eine weitere Hauptschule "dazufusioniert" werden - was dann unterblieb. So herrscht im ehemaligen Gymnasium für die derzeit 150 Hauptschüler zumindest kein Platzmangel. Es reicht auch für einen Computerraum und das Schülercafé "Lozzi", und ein Teil der Räumlichkeiten wird für die Feuerwehr-Schule und ein kommunales Studien-Institut genutzt. Im Eingangsbereich hängt ein Plakat mit Porträts der 13 Lehrerinnen und Lehrer - alles andere als eine Selbstverständlichkeit. "Wir fühlen uns vital und lebendig", sagt Rektor Lehnert gerade im Hinblick auf die "Realschule plus"-Diskussion, die bis 2013 das Aus für seine Schule in der bisherigen Form bringen wird. "Unsere Konzepte", da ist er sicher, "sind auch für jede Realschule ein Plus". Weitere Infos auf der guten Homepage http://pestalozzi-hs-trier.bildung-rp.deMorgen in unserer Serie: Die Grundschule Tarforst.

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