"Dies ist auch ein Stück Gewaltprävention"

TRIER. Am Gymnasium ist so etwas doch nicht nötig, haben die Lehrer Bianka Herring und Norbert Jakobs gehört. Doch sie ließen sich von ihrer Idee nicht abbringen: Am Hindenburg Gymnasium gibt es jetzt Streitschlichter. Die Mediationsgruppe trainiert seit September Gesprächstechniken und Wege zu Konfliktlösungen.

 Gut Zuhören - das ist wichtig bei einem Mediationsgespräch. Die Schüler des Hindenburg Gymnasiums Benjamin Metoui (links) und Kawai Chung üben in einem Rollenspiel Wege zu einer Konfliktlösung.Foto: Jennifer Falk

Gut Zuhören - das ist wichtig bei einem Mediationsgespräch. Die Schüler des Hindenburg Gymnasiums Benjamin Metoui (links) und Kawai Chung üben in einem Rollenspiel Wege zu einer Konfliktlösung.Foto: Jennifer Falk

Zwei Schüler und beide gucken böse. Richtig sauer sind Fabian und Martin. Mit verschränkten Armen sitzen sie auf den harten Stühlen und gucken einander nicht an. Täuschend echt. Es ist aber nur gespielt. Das erklärt auch, warum Fabian lange dunkle Haare hat. Er wird von Kawai Chung gespielt. Sie ist Schülerin am Hindenburg Gymnasium. Ihr Schulkamerad Benjamin Metoui gibt sich als Martin. Sie üben in einem Rollenspiel das Streitschlichten. Den fiktiven Streit zwischen Fabian und Martin haben sich die Lehrer Bianka Herring und Norbert Jakobs für die Mediationsgruppe an der Schule ausgedacht. Die Gruppe begann sich unter der Leitung der beiden Lehrer im September zu treffen. Am Anfang stand eine zweitägige Intensivphase in einem Jugendgästehaus. Seitdem treffen sich die Schüler jeden Freitagnachmittag, um Techniken zur Gesprächsführung zu lernen. Es sind 15 Schülern aus neunten, zehnten und elften Klassen. Mobbing, Prügeleien, kleine Diebstähle

"Ich fand es ungeschickt, dass Du seine Haltung ,lächerlich‘ genannt hast", sagt die Schülerin Violetta Schaan zu ihrem Streitschlichter-"Kollegen" Peter Marx. "Auf mich hätte das parteiisch gewirkt. Ich wäre rausgegangen." Peter war in dem Rollenspiel ein Teil des Streitschlichter-Duos. Später unterziehen sie sich der Kritik der anderen. So läuft es immer beim Mediationstraining. Seit Februar, also seit Beginn des zweiten Halbjahres, wenden sie das Gelernte auch an. Mobbing, Hänseleien, Prügeleien, kleine Diebstähle und Sachbeschädigungen sind die Fälle, mit denen sie sich befassen. Ein Beispiel aus der bisherigen Praxis: ein Klassenkampf zwischen einer fünften und sechsten Klasse. Auf dem Schulhof schießen die Sechstklässler den Fünftklässlern immer wieder den Fußball weg. Es kommt zu Prügeleien. "Inzwischen", sagt Streitschlichter Peter, der den Fall mit zwei anderen Schlichtern betreut hat, "geht es ganz gut" mit den Problem-Klassen. Bislang hatten die Schlichter fast nur mit jüngeren Jahrgängen zu tun. Sie haben gemerkt: "Siebt- und Achtklässlern können in Gesprächen besser erwidern", sagt Peter. In jeder großen Pause stehen je zwei Streitschlichter in dem Arztzimmer der Schule für Gespräche zur Verfügung. Oft werden streitende Schüler von Lehrern geschickt. Wenn nötig, werden sie für das Schlichtungsgespräch vom Unterricht befreit. Als Jakobs und Herring anfangs ihre Idee, eine Mediationsgruppe an der Schule einzurichten, präsentierten, wurde die Notwendigkeit nicht von allen gesehen. "An einem Gymnasium ist so etwas doch nicht nötig", hörten sie. In der Tat: An den Schulungen, die sie anderthalb Jahre beim schulpsychologischen Dienst machten, nahmen hauptsächlich Haupt- und Realschullehrer teil. Aber den Sinn von Streitschlichtern an ihrer Schule sehen sie nach wie vor. "Wir hatten gemerkt, dass viele kleine Konflikte im normalen Schulbetrieb nicht zu lösen sind", sagt Jakobs. Viele Klassenlehrerstunden seien gestrichen worden. "Es gab nur die Möglichkeit normalen Unterricht zu streichen, um das Problem zu lösen, oder den Konflikt zu deckeln."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort