Einblick in menschliche Abgründe

TRIER. Die Uni-Theatergruppe "neues Theater Trier" zeigte mit dem Ensemblestück "Die zwölf Geschworenen" die Abgründe menschlichen Daseins, die sich in manchen Ausnahmesituationen offenbaren.

 Momentaufnahme: Das "neue Theater Trier" spielt die "Zwölf Geschworenen".Foto: Melanie Wollscheid

Momentaufnahme: Das "neue Theater Trier" spielt die "Zwölf Geschworenen".Foto: Melanie Wollscheid

Bereits das erste Bild verbreitet eine beklemmende Stimmung. Eine mit Musik unterlegte Powerpoint-Präsentation stellt in ausdrucksstarken Bildern die amerikanischen Mühlen der Justiz vor und lässt weder elektrischen Stuhl noch Grabfelder aus. Es geht um Mord. Vorsätzliche Tötung lautet die Anklage. Ein Sohn soll seinen Vater erstochen haben. Nun fristen zwölf Geschworene sechs Tage lang ein zermürbendes Dasein. Mitten im "Big Apple" sind sie in einen kleinen Raum eingeschlossen, bis sie sich auf ein einstimmiges Urteil geeinigt haben. Schuldig oder nicht schuldig? - das ist hier die Frage. In einer Inszenierung, die phasenweise an Sartres Höllenszenario "Huis clos" (Geschlossene Gesellschaft) erinnert, verleihen die 13 Ensemblemitglieder ihrer jeweiligen Figur Farbe. Besonders markant: Kristin Bergmann-Warnecke als gefühlskalte Karrierefrau mit penetranter Stimmfarbe, Diana Bercht als reflektierte Architektin, die als Einzige die Schuld des Sohnes hinterfragt, Stephan Pitten als hyperkorrekter, grau melierter Anzugträger, der sich über sich selbst erschreckt, als er die Contenance verliert, oder Maximiliane Roßmöller als Immigrantin mit herrlich polnischem Akzent. Einfach zum Knuddeln ist Phil Teuber als verklemmter Pullunderträger, der knallrot anläuft, wenn man ihn schief anschaut. Doch im Lauf der Debatte schwimmt er sich etwas frei, entwickelt sich - ebenso wie die elf Mit-Geschworenen, die einer nach dem anderen ihre individuellen dunklen Geheimnisse lüften.Über die Tragweite einer Entscheidung

Eine ähnliche Lacher-Quote wie Phil erzielt Till Reiners, der als Sportsmann "auch mit Anstand verlieren kann". Wie der Prozess ausgeht ist ihm egal. Doch der Tragweite ihrer Entscheidung werden sich die Geschworenen nach und nach bewusst. Auch wenn der Lebenslauf des Angeklagten als Slalom in die Unterwelt bezeichnet wird, wollen sie es nicht sein, die ihn mit dem finalen (Todes-)Stoß über den Styx schicken. Selbst die harte Mrs. Walter weicht von ihrer Linie ab und entscheidet sich schließlich für das Leben. Ihr persönliches Lebenstrauma (ihr Sohn hat sie ebenfalls mit einem Messer bedroht) zeigt sie als gebrochene Frau, die sich hinter ihrer harten Fassade versteckt. Auch wenn das Stück mit seiner zweistündigen Inszenierung Kürzungen vertragen hätte, können die Regisseurinnen Bettina Stiller-Weishaupt und Christiane Böer stolz auf ihre Truppe sein. Bettinas Wunsch, "für die Premiere etwas Drive zuzulegen", ist aufgegangen. Weitere Aufführungen sind am 9. und 13. Februar, jeweils um 20 Uhr im kleinen Saal der Tufa.

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