Elf Menschen im Chaos

Erst fielen ihre Wohnungen und ein Großteil ihres Hab und Guts den Flammen zum Opfer, dann standen sie auch noch vor den Mauern der Bürokratie. Ohne den großen Einsatz von Nachbarn wären die Pfalzeler Familien Kazan und Özgeboz gänzlich hilflos.

Trier-Pfalzel. (c.c.) Keine Verletzten bei Dachstuhlbrand, 50 Männer haben Flammen schnell unter Kontrolle, materieller Schaden in Höhe von mindestens 100 000 Euro, Brandursache war ein technischer Defekt: Das sind die Schlagzeilen über das Feuer im Dach eines Wohn- und Geschäftshauses in Trier-Pfalzel am Samstag (der TV berichtete). Aber gäbe es keine hilfsbereiten Nachbarn, allen voran Elke Franke und ihren Freund Jochem Hagen, hätten Erdal Özgeboz, sein Onkel Necmettin Kazan und die beiden Familien völlig hilflos dagestanden.

Erdal Özgeboz (32) wohnt mit Frau Cemile und Töchterchen Melisa (1) zur Miete im Haus am Pfalzeler Stern. Links vom Treppenhaus blickt man durch den nicht mehr vorhandenen Dachstuhl in den Himmel, rechts liegt die Wohnung der Özgeboz. Alles ist mit einer schwarzen Rußschicht überzogen. Eine Etage unterhalb wohnt Necmettin Kazan mit seiner Frau Suveyda und sechs Kindern im Alter zwischen eineinhalb und 16 Jahren. Die kleine Wohnung blieb zwar weitgehend von Brandspuren verschont, trotzdem lief Löschwasser an einigen Stellen durch Fenster und Decken.

Diese Wohnung, so habe es der Mann von der Versicherung gesagt, sei durchaus bewohnbar. Er selber würde zwar nicht einziehen, aber die achtköpfige Familie könne wieder in ihren Räumen leben.

Über derartige Aussagen können Elke Franke, Jochem Hagen und auch Pfalzels Ortsvorsteher Werner Pfeiffer nur die Köpfe schütteln. Kinder in diesen stinkenden, feuchten Zimmern? Nach der ersten Nacht bei hilfsbereiten Nachbarn und zwei Nächten im Hotel sah die Situation für die beiden Familien zunächst eher düster aus. Städtisches Wohnungsamt, Vermieter, andere öffentliche Stellen - niemand fühlt sich zuständig. Also beschließen die beiden Väter, das Haus von den Brandspuren zu reinigen und wieder einzuziehen.

Inzwischen mobilisieren Elke Franke und Jochem Hagen die Pfalzeler Bevölkerung. Sie haben zudem ein Spendenkonto eingerichtet. Denn auch das ist schnell klar: Vor allem Familie Kazan steht vor großen finanziellen Problemen, da der Vater als Alleinverdiener auf längere Sicht seinen Döner-Imbiss im Erdgeschoß des Hauses nicht betreiben kann. Da weder er noch sein Neffe eine Hausratversicherung abgeschlossen hatten, müssen beide Familien den Neustart aus einer Kraft stemmen.

"Vorerst brauchen die elf Menschen ein Dach über dem Kopf, eine Küche und eine Toilette", sagt Elke Franke. Ein spontaner Anruf von Ortsvorsteher Pfeiffer bei Bürgermeister Georg Bernarding bringt am Montagabend den ersten Erfolg. Bernarding sagt zwei städtische Wohnungen zu. Am Dienstagmorgen stellt Dieter Kinzig vom Wohnungsamt Unterkünfte in Mariahof und Ehrang vor.

Das größte Problem ist vorerst beseitigt. Dennoch werden weitere Hilfen nötig sein, damit Erdal Özgeboz, Necmettin Kazan und ihre Familien nach den Schrecken des Feuers wieder ein normales Leben führen können.

Elke Franke und Jochem Hagen wollen den Eltern und Kindern weiter zur Seite stehen und bitten auch die Bevölkerung um Mithilfe, denn "ein solches Schicksal kann jeden von uns treffen." Unter Telefon 0651/9955971 informieren sie darüber, wie geholfen werden kann.

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