Ende einer großen Tradition

TRIER. Seit fast 100 Jahren prägt das Geschäftshaus "Zum Farbkasten" das Bild der Neustraße. Noch acht Tage, dann schließt sich die Tür des Fachgeschäftes für immer.

 "Farben Schmelzer", das Trierer Traditionsgeschäft in der Neustraße steht - nach fast 100 Jahren - vor dem endgültigen Aus.Foto: Katja Krämer

"Farben Schmelzer", das Trierer Traditionsgeschäft in der Neustraße steht - nach fast 100 Jahren - vor dem endgültigen Aus.Foto: Katja Krämer

Diegroßen roten Buchstaben "Wir schließen" schockieren derzeit vielePassanten in der Neustraße. Anstelle eines bunten Bildes prangtim Schaufenster ein Plakat, auf dem zu lesen ist: "Farbkästen 30Prozent reduziert". "Schon wieder einer. Furchtbar, dass auch dieser Laden dicht macht", bedauert ein Passant die Geschäftsaufgabe und setzt seinen Weg kopfschüttelnd fort. Auch für Aloisia Melchior, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Neustraße, kam die Schließung überraschend.

1905 hatte der Trierer Malermeister und Künstler Georg Schmelzer eine Malschule in der Neustraße gegründet. Er war einst auch Vorsitzender der Trierer Handwerkskammer. Die schmucke Fassade des Stammhauses trägt noch heute seine Handschrift.

Im Büro des "Farbkasten" hängen zahlreiche Ölgemälde, die an den Gründer und seine Liebe zur Farbe erinnern. Etlichen Kirchen und städtischen Bauten hatte Schmelzer mit seinen Malkünsten einen unverwechselbaren Anstrich verpasst. Überregional von Frankreich bis nach Österreich waren seine Malerarbeiten gefragt.

40 Menschen fanden einen Arbeitsplatz in der Malerwerkstatt. Seine vier Söhne übernahmen später gemeinsam die Leitung des Geschäftes. In den 80er Jahren wurde der Handwerksbetrieb aufgegeben und schließlich nur noch das Fachgeschäft betrieben.

Heute steht das alteingesessene Trierer Familienunternehmen vor dem endgültigen Aus. Bitter für Georg Schmelzers Urenkel Frank Nagel, der seit vier Jahren das Geschäft führt: "Trotz Einsparungen und viel Ehrgeiz hat es nicht gereicht."

Nagel musste sich nicht nur mit der Konjunkturschwäche, sondern auch mit Erbstreitigkeiten auseinandersetzen. Auf jeden Cent ihres Anteils am Umsatz bestehende Erben und die rückläufige Entwicklung des Geschäfts, hätten das Unternehmen zum Kentern verurteilt. "Es war kein Land mehr in Sicht", sagt Nagel.

Das Ende kam in Etappen: Schon vor zwei Jahren wurde die Farben- und Tapetenabteilung geschlossen. "Die Konkurrenz durch die Vielzahl an Baumärkten war einfach zu groß", erinnert sich Nagel. Das Geschäft reduzierte sich auf den Künstlerbedarf.

Der Bedarf an Künstlermaterialien ist zwar nach wie vor vorhanden, doch das Kaufverhalten der Kunden hat sich laut Nagel in den vergangenen zwei Jahren enorm verändert. "Die Kunden nahmen zwar weiterhin unsere fachmännische Beratung, die unser Geschäft auszeichnet, in Anspruch, doch gekauft haben sie oftmals woanders", sagt der Geschäftsführer.

Meist nur noch, wenn eine Tube Farbe fehlte, fanden Künstler, Graphiker und Studenten den Weg in das Fachgeschäft. Versandhäusern und preisgünstigeren Bestellungen per Internet konnte das Geschäft nichts entgegenhalten.

Die Zukunft der drei Mitarbeiter ist ungewiss. Alfred Rissmann, der seit mehr als 40 Jahren im Betrieb mitarbeitet, wird sich erst einmal in das "Heer der Arbeitslosen einreihen". "Es ist nicht einfach, nach so vielen Jahren aufzuhören", sagt er.

Auch die Zukunft von Geschäftsführer Frank Nagel steht zurzeit ebenso in den Sternen, wie die weitere Nutzung des Hauses. "Ob die Häuser verkauft oder vermietet werden, entscheidet sich in den nächsten Monaten", sagt Nagel.

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