Expedition in die Gefühlswelten

TRIER. In einer von Pro Familia angebotenen Selbsterfahrungsgruppe haben Frauen gelernt, die eigenen Gefühle nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine Frau nach der anderen huscht in das Haus und nimmt in einemvon schummrigem Kerzenlicht erhellten Raum Platz. Wohliger Duftliegt in der Luft. Die Sechs sind eine Selbsterfahrungsgruppe."Ich war ganz erstaunt, hier keine Frauen in lila Latzhose undbraunem Batik-T-shirt zu treffen", sagt eine Teilnehmerin undlacht. Drei kinderlose, allein stehende Frauen um die 30 - eine Sekretärin aus Luxemburg, eine Bankerin, eine Fleischereifachverkäuferin - und drei Mütter, von denen eine als Sozialarbeiterin und eine als Buchhalterin arbeitet, haben sich einen Monat lang einmal die Woche für eineinhalb Stunden getroffen.

"Wie fühlst du dich?", fragt die Diplompsychologin Margit Schneider-Quast von Pro Familia jede. Dann entspannen sich die Teilnehmerinnen mit einer Atemübung.

Im Anschluss kommt die eigentliche Aufgabe: "Stellt euch vor, ihr geht in ein Haus, geht durch die Zimmer, öffnet Türen..." So schickt die Psychologin die Frauen auf eine "Fantasie-Reise", bei der sie durch die Vorstellungskraft einen besseren Zugang zu ihren Gefühlen bekommen sollen.

"Wir beschäftigen uns mehr mit den Steinen in unserer Gefühlswelt, also mit unangenehmen Gefühlen, als mit den positiven Gefühlen", hat Schneider-Quast beobachtet. Dabei könnten negative Gedankenketten entstehen. Die Therapeutin hat den Frauen Übungen und Techniken an die Hand gegeben, damit sie negative Gefühle erkennen und sich von ihnen befreien können. Mit Imaginationstechniken aus der Hypnosetherapie verschaffen sich die Frauen einen Zugang zum Unbewussten.

"Hier konnte ich innehalten, wahrnehmen und zur Ruhe kommen", erzählt eine Teilnehmerin. "Endlich weiß ich, wie ich mich aus diesem Tunnel von negativen Gefühlen herausholen kann." Das Gehirn kann jeder Mensch darauf programmieren, angenehme Gefühle verstärkt wahrzunehmen. Schneider-Quast: "Immer wieder positive Situationen aufsuchen, das trainiert die Muskeln im Gehirn."

Sich um sich selbst und seine Gefühlswelt zu kümmern hilft, gesund zu bleiben und Lebenskrisen zu vermeiden. "Zu uns kommen die Leute oft erst, wenn es zu spät ist, wenn sie schwer krank sind oder die Ehe kaputt ist", mahnt die Pro Familia-Mitarbeiterin. "Vor allem Frauen schauen oft mehr nach den anderen, dem Mann, den Kindern oder der Schwiegermutter, als sich um sich selbst zu kümmern."

Den sechs Frauen hat der spielerische Umgang mit dem manchmal schwierigen Unterfangen, über die eigenen Gefühle offen zu reden, gefallen.

Viele haben gemerkt, dass sie Alltags-Situationen anders als vorher verarbeiten. Für alle war es der erste Kontakt mit psychotherapeutischen Techniken. Aber mit Vorurteilen gegenüber der "Psycho-Szene" haben sich die Frauen nicht aufgehalten. "Keiner sollte das belächeln. Entweder man macht es oder man lässt es", sagt eine Teilnehmerin. Die Sechs sind sich einig: Eine Frauenselbsterfahrungsgruppe können sie weiter empfehlen.

Informationen bei Pro Familia Trier, Telefon 0651/22660.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort