Flugzeuge bedeckten den Himmel

Vom Himmel hoch, da komm' ich her, verkünde Euch eine frohe Mähr." Ein wunderschönes Weihnachtslied. - Man kann es kaum glauben, aber was "vom Himmel" 1944 über unshereinbrach! Schlimmer kann es in der Hölle nicht sein.Zu der Zeit wohnte ich in Wittlich als Flüchtling aus Saarburg bei meiner Tante, als ich morgens von einem unheimlichen Dröhnen in der Luft erwachte. Ich lief zum Fenster, und was ich sah, war einmalig. An Fliegerangriffe war man inzwischen ja gewöhnt, aber was ich jetzt sah, verschlug mir den Atem. Der Himmel war bedeckt mit Flugzeugen. Geschwader auf Geschwader flog an unserem Städtchen vorüber. Auf einmal sah ich, wie einige Pulks abschwenkten und direkt auf uns zuflogen. Schon hörte man die ersten Bomben detonieren, und unser Haus fing an zu beben. Vor Angst haben wir nur noch gezittert und gebetet. Ich schaute zum Kellerfenster hinaus und sah drei Soldaten laufen, die auch Schutz suchten. Im gleichen Moment fiel eine Luftmine mitten auf den Marktplatz von Wittlich. Der Luftdruck war so stark, dass wir durch den Keller geschleudert wurden.Alles war voll Staub, dass man keine Luft bekam und wir dachten, das Haus sei eingestürzt. Auf einmal hörten wir ein Gluckern. An unserem Haus fließt ein Bach vorbei. Die Trümmer in der Nachbarschaft hatten das Wasser gestaut und es strömte bei uns ein. Im Nu waren unsere Füße nass, und das Wasser stieg weiter. Wir müssen hier raus, sonst ertrinken wir alle! Aber wie rauskommen? Die Kellertür ging nicht auf, Trümmer hatten sie blockiert.Zum Glück hatten wir Werkzeug und konnten uns mühsam rausarbeiten. Inzwischen war das Wasser schon einen Meter hoch. Alle waren bis zur Brust nass, und das bei bitterer Kälte. Endlich waren wir draußen und sahen die Verwüstung. Im ganzen Haus waren keine Fenster und Türen, und das Dach war abgedeckt. Wohnen war unmöglich. Wir müssen weg hier. Vielleicht kommen die Bomber zurück und wir nicht mehr mit dem Leben davon. Meine Tante packte ihre vier Kinder in zwei Handwagen und alle warmen Sachen, die wir in der Eile greifen konnten.In der Heiligen Nacht zogen wir ins nächste Dorf, wo wir freundliche Aufnahme fanden. Alles andere mussten wir ungeschützt zurücklassen. Unser schöner Weihnachtsbaum und vor allem den Kuchen, für den meine Tante die Zutaten wochenlang erspart hatte. Alles war voller Glassplitter.Antoinette Linz lebt in Saarburg, Hubertusstraße 34. Die gelernte Kinderpflegerin ist 81 Jahre alt.

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