Franzosen retteten den "Hoach"

KÖWERICH. (red) Zwei Franzosen war es zu verdanken, dass der Köwericher Berg, "Hoach" genannt, von einem Bombardement verschont blieb: Dort versteckten sich Jugendliche und französische Kriegsgefangene. Rosa Jakoby aus Köwerich berichtet von diesen letzten Kriegstagen.

Ab Dezember 1944 kamen immer mehr Feindflugzeuge, die oft im Tiefflug unsere Dörfer heimsuchten und die Menschen und alles, was sich bewegte, beschossen. Tag und Nacht flogen Verbände von englischen Bombern über uns hinweg, weiter ins Land Richtung Südosten. Nachdem Trier bombardiert worden war, kamen immer mehr Flüchtlinge aus der Stadt, die in den Moseldörfern Zuflucht suchten. In Köwerich mit 300 Einwohnern wohnten etwa 200 Flüchtlinge. Die Front rückte näher. Im Januar 1945 hörte man das dumpfe Grollen der Geschütze und sah am Himmel helle und rote Querstreifen sowie rote Punkte. Immer mehr Feindflugzeuge kamen und warfen Bomben ab. Ein Güterzug war stehen geblieben, weil die Lokomotive nicht mehr funktionsfähig war. Der Zug wurde Tag und Nacht beschossen. In Leiwen starb am 28. Februar 1945 unsere Großmutter. Sie wurde am 3. März um 7 Uhr in der Frühe beerdigt. Aus Angst vor Tieffliegern liefen wir auf dem Nachhauseweg am Straßenrand entlang, im Schutz der Bäume. Die Jugendlichen der Geburtsjahrgänge 1929 und 1930 wollte man noch über den Rhein ins Land schaffen, ebenso die französischen Kriegsgefangenen. Deshalb versteckten sie sich auf unserem Berg. Dort hatten Köwericher Männer im Herbst 1944 in einem tiefen Graben bunkerähnliche Unterstände geschaffen. Mit dicken Bohlen hatten sie ein Dach gebaut und Ofen, Herd und Lebensmittel mit Kühen und Ackerwagen hinaufgeschafft. Jugendliche und Gefangene haben dort "gewohnt", geschlafen und so das Ende des Krieges überstanden. Die Eltern bangten um ihre Kinder, besonders als durchsickerte, deutsche SS-Leute wären auf unserem Berg. Am 12. März versenkten beherzte Köwericher Männer die Ponte (Fähre) und den Nachen in der Mosel in der Nähe des Fährkopfes, nachdem sie den Sprengunteroffizier betrunken gemacht hatten. Als er später die Ponte nicht mehr sah, meinte er, sie wäre durch einen Volltreffer zerstört worden. Den Fährnachen hoben die Köwericher wieder am 16. März und die Ponte am 10. April 1945. Beide waren für die Köwericher Bevölkerung sehr wichtig, weil sie "ohne" nicht in ihre Weinberge links der Mosel gelangen konnten. In der Nacht zum 8. März hörten wir starken Artilleriebeschuss. Wir schliefen im Keller auf Matratzen, die wir auf Runkelrüben und Kartoffeln gelegt hatten. Tagsüber flog ständig ein Aufklärungsflugzeug über unserem Moselkrampen "Hoach" genannt. Es war ein Amerikaner, der harmlos war. Am Morgen des 9. März hatten wir keinen Strom mehr, weil nachts eine Granate in unseren Transformator eingeschlagen war. Erst am 30. Mai bekamen wir wieder Strom. So konnte man kein Radio mehr hören. Bis dahin hatte unser Vater die Feindsender aus England und Beromünster aus der Schweiz gehört. Es wurde dort jedes Dorf genannt, das von den Amerikanern eingenommen wurde. Der Luftraum gehörte ihnen bereits. Am 15./16. März beschoss deutsche Artillerie von Heidenburg aus Klüsserath, das von den Amerikanern besetzt war. Häuser wurden beschädigt, eins verbrannte. Es gab mehrere Tote. In dieser Woche wurde in Köwerich ein Kind geboren. Ab 17. März warteten wir in Köwerich auf die Amerikaner. Am frühen Morgen des 18. März kamen sie. Die französischen Kriegsgefangenen waren voller Freude und liefen ihnen entgegen. Noch am selben Tag konnten sie ein Auto besteigen und wurden nach Frankreich transportiert. Nicht in allen Moseldörfern ging die Front so reibungslos vorüber, weil die Deutschen Brücken und Fähren sprengten, und die Amerikaner daraufhin das Feuer eröffneten und die Dörfer beschossen. Das Leben normalisierte sich schnell. An Stelle der gesprengten Brücken wurden Holzbehelfsbrücken gebaut. Es gab eine Ausgangssperre bis 20 oder 21 Uhr. Wir hatten den Krieg verloren, aber unsere Freiheit gewonnen. Später nach Kriegsende machten viele Bewohner aus Köwerich, Leiwen, Detzem und Thörnich eine Wallfahrt nach Klausen. Dort sagte uns der Pater aus Thörnich, dass die Amerikaner einen Bombenteppich für den "Hoach" geplant hatten. Als aber zwei mutige französische Kriegsgefangene von Detzem mit einer weißen Fahne über die Mosel nach Schleich fuhren und den Amerikanern berichteten, die deutschen Truppen hätten sich Richtung Hunsrück abgesetzt, ließen sie ihren Plan fallen. Rosa Jakoby, Köwerich. Autorin der Bücher "Leben im Moseldorf" und "Bei uns daheim im Moseldorf"

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