Freund oder Verräter?

TRIER. (QO) Im März hatte das Tanztheaterstück "Judas – Bin ich’s?" von Sven Grützmacher seine Uraufführung im Trierer Theater. Nun fand eine Podiumsdiskussion zum Thema "Judas – wer ist das?" statt.

Einen "allgemeinen Trend zu religiösen Themen im Theater" stellte Moderator Peter Larsen, Musikdramaturg am Trierer Theater, fest. "Nach deutschem Namensrecht darf man sein Kind nicht ‚Judas' nennen", sagte Sven Grützmacher. "Was steckt hinter der Person Judas?" Mit ihm diskutierten die jüdische Theologin Ruth Lapide, Pfarrer Jürgen Dötsch, Direktor der Katholischen Akademie Trier und Peter Rosien, Chefredakteur von "Publik-Forum", der "Zeitung kritischer Christen". "Keine Gestalt wurde mehr geschmäht als Judas", stellte Larsen fest. "Man spricht von Judaslohn, Judaskuss. Er ist der Selbstmörder ohne Ruhe - oft einfach ‚der Jude'." Für Ruth Lapide ist Judas "einer der schönsten Namen, die es gibt: Jesus hieß ‚Jeschua', Judas ‚Jehuda'. Dies war der Sohn der biblischen Lea: ‚Dieses Mal will ich Gott danken', sprach sie. Neun Männer diesen Namens gibt es im Neuen Testament.""Judas ist gekoppelt an Verrat"

1978 wurde das "Judas-Evangelium" gefunden. Seine Kernaussage: Jesus habe Judas, seinen besten Freund, beauftragt, ihn um des Heils willen zu verraten: "Was du tun willst, das tue bald", sagte Jesus. "Er sagte, er gebe sein Leben freiwillig hin", betonte Ruth Lapide. "Wo wärt ihr Christen alle ohne den Tod Jesu? Wieso kann man am Karfreitag nicht glücklich und dankbar sein, dass es einen solchen Menschen gab, der sich hingab?" "In der Kirche ist das festgefahren, dass Judas gekoppelt ist an den Verrat an Jesus", sagte Peter Rosien. "Historisch ist das nicht mehr aufzudecken." "Jesus und Judas lebten sich politisch auseinander", meinte Jürgen Dötsch. "Geht der Rabbi auf dem Weg der Befreiung von der römischen Besatzung mit?" "Beide Freunde kämpften für eine Idee, wollten Veränderung bis zu einem Punkt, wo sie unterschiedlicher Meinung waren", stimmte Sven Grützmacher zu. "Keiner von uns ist frei von Schuld. Daher: ‚Judas - bin ich's?'" Ruth Lapide: "Im Griechischen wurde der Begriff ‚paradidonai' verwendet - ‚Jesus übergibt seinen Geist zurück an Gott'. Insgesamt siebenmal kommt der Begriff hier vor, nur bei Judas wurde er mit ‚verraten' übersetzt. Auch Paulus von Tharsus, der Jesus sehr nah war, weiß kein Wort von einem Verrat oder von einem Prozess vor dem Synhedrion." Jürgen Dötsch: "In Hochgebeten ist von ‚freiwillig hingegeben' die Rede: Ein Verrat ist nicht heilsnotwendig." "Ich bin da aus humanistischer Sicht herangegangen", erläuterte Grützmacher, "welche Verantwortung übernehmen wir?" Die zahlreichen Zuhörer der einstündigen Diskussion lachten über das Bild von Juden und Christen als altes Ehepaar in der Krise, das es noch einmal miteinander versuchen will. "Die Fehlübersetzungen in den Evangelien geschahen zur Hälfte aus Unkenntnis", vermutete Ruth Lapide. "Zum anderen wollte die Kirche sagen: Ich bin das wahre Israel. Dabei ist die Infrastruktur des christlichen Glaubens total jüdisch. Die Messias-Idee, die Erlösung oder das stellvertretende Sühneleiden." "Was macht das Ganze des Alten und Neuen Bundes aus?", fragte Jürgen Dötsch. "Es steht in der jüdischen Tradition. Wir erobern es uns neu!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort