Goldt glänzt wieder

TRIER. (chj) Max Goldt verzückt im dritten Jahr hintereinander die Zuhörer in der Tufa. Allerdings werden sie, wie schon bei den vergangenen Veranstaltungen, gemaßregelt.

Diesmal soll es besonders gut werden. Ein Radiosender aus dem Saarland schneidet die Lesung mit. Goldt ist, wie immer, bestens vorbereitet und liest nahezu fehlerfrei, doch das Publikum verhält sich wieder nicht so, wie er möchte. Zuerst kommen einige Zuhörer zu spät und zu laut aus der Pause, und dann lachen sie auch noch an einer aus Goldts Sicht unpassenden Stelle. "Sie sind hier nicht beim Privatfernsehen", kanzelt er die Besucher ab. "Bitte keine einzelnen Sätze beklatschen."Das "Deutsche" als Dorftrottel

Solche Reaktionen lassen ihn blasiert erscheinen, dabei geht es ihm doch nur um einen höflichen, respektvollen Umgang miteinander. Goldt ist ein moderner Knigge. Amüsanter, sympathischer und phantasievoller als seine ausgesprochenen Maßregelungen sind jedoch die in seinen Texten. Über die höflichkeitsgebietende Konversation bei einer Massage schreibt er beispielsweise: "Man kann sich nicht einfach so konsumentenhaft wie ein ,neuer Russe' bepranken lassen." Auch wenn man durch die "listige Wahl des Gesprächsgegenstands die Gesprächsmenge gerne reduzieren" könne, sollte man nicht völlig auf eine Unterhaltung verzichten. Goldts Texte sind aber nicht nur lehrreich oder belehrend. Auf einen sprachlich bilderreichen, aber etwas zu lang geratenen Reisebericht über Malta ("Ferien von der Welt der Premiumprodukte") folgt eine Lobrede auf die Wortkomposition "Rohlingsspindel". "In den letzten Jahrzehnten hat sich das Deutsche allzu widerstandslos als eine Art Dorftrottel unter den Sprachen präsentiert, der nicht in der Lage ist, für aktuelle Gegenstände aus seinem angestammten Wortschatz neue Begriffe zu bilden und sich stattdessen mit schlaffer, altersfleckiger Hand aus dem weltweit dampfenden englischen Breitopf bedient." Deshalb gehe vom Wort "Rohlingsspindel" "Hoffnung" aus. Goldt ist ein Meister der Assoziation und der Paraphrase. Glanzlose Gegenstände bringt er zum Funkeln. Den einzig schwächeren Beitrag, den er in seiner knapp zweistündigen Lesung deklamiert, kündigt er auch als solchen an. "Zum Schluss kommt ein Text, der nicht gut ist, sich aber schön vortragen lässt. Vielleicht kommt er mal auf ein Hörbuch." Und tatsächlich ist "Was schön und was hässlich ist" nur eine bloße Aufzählung von Ansichten. Wenn auch von sehr klugen Ansichten. So findet Goldt Frauen hässlich, die Sonnenbrillen als Teil der Frisur ansehen. Schön hingegen seien Badezimmer mit echtem Fenster. Und um mit den Worten des "Titanic"-Kolumnisten zu schließen: "Es ist immer schön, wenn jemand endlich schweigt."

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