Gastronomie Guter Start mit 100 Mark

Trier-Ehrang · „Hier kannste futtern wie bei Muttern!“ Gastlob wie dieses ist in der Ehranger Bahnhofsgaststätte an der Tagesordnung. Die Wirtin Vida Heinen hat seit 35 Jahren die Gaststätte gepachtet und ist eine Institution in Ehrang.

Ein energisches „Hallo“ ist die Begrüßung in der Bahnhofsgaststätte in der Ehranger Straße. Das kommt aus dem Mund von Aaron, dem vierjährigen Enkelsohn von Vida Heinen, stammt. Der Knirps scheint sich in der Gaststätte genauso wohl zu fühlen wie seine Großeltern. „Mich wird man hier raustragen müssen, sagt mein Mann immer“, beschreibt Heinen schmunzelnd ihre Verbundenheit zur Gaststätte.

Seit 35 Jahren ist Vida Heinen die Anlaufstelle bei kleinem oder großen Hunger, für Familienfeiern, Vereinsfeste oder Parteitreffen. Das war in den späten Sechzigern noch nicht abzusehen. Da nämlich setzte sich die 18-jährige Kroatin in einen Zug nach Deutschland, um dort eine Arbeitsstelle zu finden – mit 100 Mark Startkapital in der Tasche. Wobei 90 Mark davon bereits für die Anreise zu ihrem Arbeitsplatz in Montabaur verbraucht waren. Dort lernte sie ihren ersten Mann, einen Ehranger, kennen.

Per Zufall übernahm das Paar die Bahnhofsgaststätte von Käthe Fischer. Die Anfänge der Wirtsfrau Vida Heinen waren schwierig. Die Sprachkenntnisse noch nicht ausgefeilt, ein großer Betrieb, unerfahren im Wirtshauswesen, zwei Töchter in kurzer Folge, eine unglückliche Ehe, die auseinander geht. „Ich dachte, die Welt bricht zusammen“, sagt die Frau rückblickend, die heute alles andere als resigniert wirkt.

Ihr zweiter Mann Hans-Dieter half ihr aus der Krise, unterstützte den DreiMädel-Haushalt und ließ den Abschluss seines fast fertigen Lehramtsstudiums zugunsten des Familienbetriebs sausen. „Anfangs dachte ich, ich könnte nicht mehr als 25 Leute versorgen“, berichtet Vida Heinen. „Heute sind es oft mehr als 100, das macht mir gar nichts aus.“

Zu ihren Stammgästen zählen außer den Vereinen auch Firmenangestellte, die seit Jahren täglich zum Mittagstisch kommen – „ohne vorher noch zu fragen, was es gibt.“ Ihre Gäste beschreibt Heinen „wie eine große Familie, es sind alles nette und feine Leute.“ In den ganzen 35 Jahren habe sie noch nie die Polizei wegen eines Streits gerufen.

Wenn es sein müsse, mache sie für ihre Gäste noch nach Mitternacht ein Rührei mit Schinken und in der Frühe eine Klappschmier'. Soviel Gastfreundschaft scheint anzukommen. Von kroatisch bis gut bürgerlich reicht das Angebot, „so, wie unsere Omas noch gekocht haben.“ Viel Gaudi hat Heinen mit „ihren Lederhosen“ – eine Gruppe von feierlustigen Ehrangern. „Wenn die durch die Tür kommen, ist der Abend gerettet.“

Das Arbeitspensum von Heinen reicht vom frühen Morgen bis in die Nacht. Ihre Wäsche macht sie „mal gerade so zwischendurch“, ebenfalls „zwischendurch“ ist sie im Fitness-Studio. „Ich habe viel Power“, sagt sie selbstbewusst. Was auch den kleinen Aaron auszeichnet, der in dem Moment mit viel Schwung auf seinem Rädchen die Stuhlreihen umkurvt.

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