Hanna ist Hanuscha

TRIER. Migrantenkinder, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen und die Beziehung zu ihrer eigenen Kultur nicht verlieren, haben gute Voraussetzungen, sich im Vereinigten Europa zu recht zu finden und sich überall zu Hause zu fühlen. Der TV besuchte die aus Polen stammende Familie Moik.

Zwei junge Katzen spielen bei Sonnenschein im Garten. Die ersten Krokusse zeigen ihre lila und gelbfarbigen Knospen. Katharina Moik erzählt von der Zeit, als sie mit ihrer kleinen Tochter Hanna aus Polen nach Deutschland gekommen ist. Ihr fließendes, sehr gutes Deutsch lässt nicht vermuten, dass sie 1990 - ihr erstes Jahr im neuen Land - kein Wort Deutsch konnte. Am Anfang nur Gesten

Im Rahmen der Familienzusammenführung kam sie zu ihrem Ehemann, einem polnischen Aussiedler. Eine Wohnung in einem Dorf in der Eifel war ihre erste Bleibe. Der hilfsbereite Vermieter sowie sympathische Nachbarn haben die junge Familie gerne unterstützt. Während Spaziergängen mit der kleinen Hanna lernte Katharina die anderen Mütter aus der Umgebung kennen. Oft folgten Einladungen zu einer Tasse Kaffee, über die sich Katharina am Anfang noch nicht richtig freute, da sie sich nur mit Gestik verständigen konnte. Aber die sechs dort verbrachten Jahre brachten der polnischen Familie erste gute Bekannte in Deutschland. Die beste Freundin der inzwischen 17-jährigen Hanna stammt aus dieser Zeit. Der Sohn Jan kam acht Jahre später auf die Welt. Von den anfänglichen Schwierigkeiten weiß er nur aus den Erzählungen seiner Mutter. Katharina Moik hatte in Polen Pädagogik und Kultur studiert. In Deutschland besuchte die junge Frau zuerst einen Sprachkurs, danach machte sie eine Umschulung zur Bürokauffrau in Trier. Einige Jahre arbeitete sie in diesem Bereich. Aber Katharina wollte ihren alten Beruf nicht aufgeben. Ihr gutes Deutsch und die Erfahrung, die sie selbst als Neuankömmling gesammelt hat, konnten Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Nationen zu Gute kommen. Sie schickte Initiativbewerbungen an alle Organisationen, bei denen sie ihre Kenntnisse nutzen konnte. Die erste Stelle beim Jugendmigrationsdienst war befristet. Seit 1998 arbeitet sie fest als Beraterin mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Es sind junge Aussiedler aus Polen, aus der ehemaligen Sowjetunion, junge Asylbewerber und Flüchtlinge. Da Katharina Moik selbst aus Polen stammt und Deutsch und Russisch spricht, kann sie ihren Schützlingen dabei helfen, ihr Leben zu planen und ihre Ziele zu erreichen. Katharina Moik fährt oft mit ihren beiden Kindern - sie ist mittlerweile geschieden - nach Polen, um ihre Mutter zu besuchen, und um den Kindern ihr Ursprungsland näher zu bringen. Sie kann sich noch gut an eine kleine Episode erinnern, die die junge Mutter damals völlig aus der Fassung brachte. Es war nicht lange nach der Ankunft in Deutschland. Die polnische Oma der damals zweijährigen Hanna war bei ihrer Tochter Katharina zu Besuch. Der Schnee lag auf den Straßen und die drei saßen zu Hause. Das kleine Mädchen guckte durchs Fenster. Dann drehte sie sich um und sagte: "Da draußen bin ich Hanna. Mit euch bin ich Hanuscha!" (Hanuscha ist der polnische Kosename von Hanna). Mit einem Satz löste die Kleine eine Flut von Emotionen bei beiden Frauen aus. Deswegen will Katharina Moik ihren Kindern helfen, ihre eigene Identität zu erfahren und die Beziehung zur Verwandtschaft und zu Polen nicht zu verlieren. Tochter Hanna hat dort nicht nur ihre Großmutter, sondern auch viele Freunde. Mit Freunden wird natürlich Polnisch gesprochen. Die Gymnasiastin fühlt sich zur Kunst hingezogen, genauso wie früher ihr Großvater Ryszard Kowal, der Maler war und dessen Bilder überall in der Wohnung in Kasel verteilt hängen. Diese können zahlreiche Freunde und Bekannte der Familie sehen. Sohn Jan geht in die Grundschule, spielt gern Schlagzeug und findet Deutsch im Familienkreis fast schon bequemer als Polnisch.

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