Kampf gegen "Kriegspropaganda" fällt aus

Trier · Zwei Offiziere der Bundeswehr haben an der Uni Trier vor 180 Zuhörern über ihre Einsatzerfahrungen in Afghanistan gesprochen. Der Vortrag wurde zum kleinen Politikum: Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) hatte im Vorfeld vor "Kriegspropaganda" gewarnt. Doch einer Diskussion stellte sich der Asta nicht.

 Unter Moderation von Juniorprofessor Martin Wagener beantworten die Bundeswehrmajore Schröder und Krüger (von links) nach ihren Vorträgen Fragen aus dem Publikum. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Unter Moderation von Juniorprofessor Martin Wagener beantworten die Bundeswehrmajore Schröder und Krüger (von links) nach ihren Vorträgen Fragen aus dem Publikum. TV-Foto: Sven Eisenkrämer

Trier. Schon nach den ersten Sätzen der Männer in Uniform wird klar, dass die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ihre Leute nicht nur an der Waffe, sondern auch in Auftreten, Körpersprache und Vortragsmethodik schult. Die Majore Schröder und Krüger liefern keine Horrorgeschichten aus dem Kugelhagel, sondern präsentieren im rappelvollen Hörsaal neun ihre Erfahrungen als Kompaniechefs im Raum Kunduz. Beide sind, das wird schnell deutlich, nicht per Zufallsgenerator ausgewählt, sondern methodisch auf ihren Auftritt in der Öffentlichkeit vorbereitet worden.
Doch das ist an diesem Abend auf dem Campus der Uni Trier alles andere als ein Nachteil. Mit hohem Interesse verfolgen die alle Plätze füllenden, auf den Treppenstufen sitzenden und jeden freien Fleck nutzenden Zuhörer, wie Schröder und Krüger den Kampf gegen die Taliban, aber auch die Zusammenarbeit mit den Militär- und Polizeikräften vor Ort schildern. Beide achten sehr darauf, weder zu glorifizieren noch Einwände gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan in Vorwegnahme zu kontern.
Die Zuhörer haben nach den jeweils 30-minütigen Vorträgen Gelegenheit, Fragen zu stellen. Viele drehen sich um sachliche Details, andere bitten die beiden Berufsoffiziere um weitere persönliche Erfahrungsberichte. Doch Proteste gegen den Einsatz, argumentative Attacken, grundsätzliche Kritik: Fehlanzeige. Der Kampf gegen die vom Asta im Vorfeld der Veranstaltung ausgerufene "Kriegspropaganda" (der TV berichtete) fällt aus.
Die zentrale Kritik übernimmt der Veranstalter selbst: Martin Wagener, Juniorprofessor der Politikwissenschaften, stellt sie: die Frage nach dem Sinn des politischen Auftrags der Bundeswehr in Afghanistan. Die Antwort: "Auch wenn drei Viertel der Menschen in Deutschland diesen Einsatz ablehnen, werden wahrscheinlich drei Viertel der Bundestagsabgeordneten für seine weitere Verlängerung stimmen."
So kommt es auch: Einen Tag nach dem Vortrag an der Uni votiert der Bundestag mit 424 gegen 107 Stimmen bei 38 Enthaltungen für die weitere Beteiligung der Bundeswehr am Isaf-Einsatz in Afghanistan. Das Kürzel steht für International Security Assistance Force (internationale Sicherheitsunterstützungstruppe). "Die Diskrepanz zwischen der Meinung in der Bevölkerung und dem Votum des Parlaments können wir nicht lösen", so die Offiziere. "Wir müssen unseren Auftrag erfüllen."
Nach der Veranstaltung bezieht Juniorprofessor Wagener Stellung: "Ich finde es mehr als bedenklich, dass sich der Asta gegen die Erforschung von Kriegs- und Konfliktursachen ausgesprochen hat." Der Asta spreche der Forschung im Bereich der Sicherheitspolitik jede Legitimation ab. "Wie jedoch wollen wir Kriege verhindern, wenn wir deren Ursachen nicht erforschen?"Meinung

Weder Mut noch Konsequenz
Der Allgemeine Studierendenausschuss ist eine wichtige Institution - er verkörpert die Vertretung der Studierenden. Doch hier schoss der Asta nicht nur weit übers Ziel hinaus, sondern galoppierte auch noch in eine völlig falsche Richtung. Die Forderung, Forschung dürfe keine militärischen Inhalte haben und solle nur friedlichen und zivilen Zwecken dienen, ist ebenso realitätsfern wie kontraproduktiv. Noch schlimmer sind allerdings die hier deutlich werdenden Mängel in der Diskussionskultur. Der Asta verurteilt einen Vortrag im Vorfeld als "Kriegspropaganda", doch dann hat keiner seiner Repräsentanten Nerven, Mut und Konsequenz, diese Haltung auch in die Diskussion einzubringen und sowohl die Offiziere als auch Juniorprofessor Wagener damit zu konfrontieren. Gerade eine Universität darf keine Themen tabuisieren oder brandmarken, weil sie unpopuläre oder provokante Inhalte haben. Diese kann man angreifen und widerlegen - so sieht eine gesunde Debattenkultur aus. Dunkles Gemunkel aus dem Hintergrund gehört nicht dazu. j.pistorius@volksfreund.de

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