Keine Zeit zum Durchatmen

TRIER. Einmal hinter die Kulissen schauen, die Akteure ganz aus der Nähe erleben, Kostüme und Maskenbilder aus- und anprobieren: Das gönnten sich etliche Besucher beim "Theaterfieber"-Eröffnungsfest im Trierer Theater.

Michael Ophelders ist Schauspieler am Trierer Theater. Und Sänger. Und Saxofonist. Und Jazzer. Und Märchenerzähler. Und, und, und. Wo immer man bei diesem Theaterfest unterwegs ist, begegnet man Ophelders, der unermüdlich für sein Theater trommelt, von mittags um drei bis Mitternacht. Das macht den Reiz dieses Festes aus: Dass der ganze Laden summt und brummt, dass alle die Akteure, die man sonst nur aus der Ferne auf der Bühne bestaunen darf, plötzlich ganz neue Seiten offenbaren. Das ehrwürdige philharmonische Orchester spielt Kaffeehaus-Klänge, Bigband-Sound und Jazz oder sorgt gar für musikalisch hochwertige Kinderbelustigung. Heribert Schmitt, sonst Abendspielleiter, bringt als "Harry Hut" bei seiner inzwischen geradezu legendären Versteigerung nicht nur reihenweise alte Theaterkostüme unter die Leute, sondern lässt auch den Humor einstiger Showmaster wie Frankenfeld oder Kuhlenkampff wieder auferstehen. Tim Olrik Stöneberg mimt am selben Nachmittag erst den todernsten Rechtsradikalen bei "Kälte" im Studio, dann streift er als Spaßvogel in Polizisten-Uniform durchs Foyer. Die Maskenbildner schminken statt fliegender Holländer und alte Damen diesmal massenhaft Kinder aller Altersgruppen, die, frisch kostümiert, als stolze Burgfräulein, Tiger, Engel oder Teufel über die breiten Theatertreppen flitzen. Nachwuchswerbung von der allerschönsten Sorte. Im großen Saal lässt Dramaturg Peter Oppermann derweil die Drehbühne rotieren und stellt die guten Geister vor, die hinter den Vorhängen dafür sorgen, dass der Laden läuft. "Was mögt ihr denn lieber, Oper oder Schauspiel?", fragt er die Bühnenarbeiter. "Mir holen et wie et kömmt", lautet die klassisch-trierische Antwort.Viel Applaus für Chor

Reichlich Beifall staubt der Chor mit seiner musikalischen Weltreise ab. Auch hier merkt man den Spaß, mal ein anderes Repertoire ausprobieren zu können als die klassische Oper. Die knapp 20-köpfige Truppe beherrscht gepflegten Liedgesang ebenso wie Spirituals, ja sogar Popsongs. Als dann der Extra-Chor für ein paar Opern-Schlachtrösser dazukommt, werden im Publikum manche Augen feucht. Und die Frage kommt auf, warum man nicht einmal im Jahr ein großes Opern-Chorkonzert veranstaltet. Die Bude wäre sicher gerammelt voll. Mindestens ebenso viel Applaus wie der Chor kann das neue Tanz-Theater einheimsen, das sich mit einem Theatercafé zu seinem ersten Stück über den Chanson-Sänger Jacques Brel vorstellt. Besonders die getanzten Auszüge aus der Produktion machen den Zuschauern Appetit auf die Premiere am kommenden Samstag, und die Erläuterungen von Ballettchef Sven Grützmacher werden mit Interesse aufgenommen. Appetithappen auch sonst an allen Ecken und Enden: Das Musiktheater lockt mit Opern-Schmankerl im Foyer, von Peter Larsen als Reminiszenz an "Erkennen Sie die Melodie" moderiert. Der Intendant und seine Dramaturgen rasen in 30 Minuten durch das Saison-Programm, im Studio wirbt Claudia Felix für ihr Ein-Frau-Musical "Lola Blau". Am Angebot kann es nicht liegen, dass die Besucher weniger zahlreich durch den Musentempel strömen als noch im Vorjahr. Die "Theaterführer", die ihre Gruppen auch in die entlegensten Ecken des Hauses schleusen, haben trotzdem Schwerstarbeit zu leisten, vor allem für die Stimmbänder. Den Schlusspunkt setzt eine doppelte Ausstellungseröffnung in memoriam der Antikenfestspiele 2005. Mitglieder der Fotografischen Gesellschaft Trier haben die Festspiele in allen Facetten vor und hinter den Kulissen im Bild festgehalten, Studenten der Fachhochschule haben Plakate für die Produktionen entwickelt. Die Resultate sind in dem einen wie dem anderen Fall hochinteressant und noch bis März im Theater zu sehen (ausführliche Besprechung folgt). Dann wird die Bühne für den Gala-Eröffnungs-Abend geräumt. Keine Zeit zum Durchatmen. Aber die gibt es im Theater ohnehin selten. CLICKME SEITE 22

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