Künstlerin für den Frieden

TRIER. Klein ist sie, und zerbrechlich wirkt sie auf den ersten Blick. Doch Esther Bejarano hat viel Kraft, die sie nicht hat verbittern lassen. Trotz der Erlebnisse, die ihr Leben geprägt haben. Aufgeschrieben hat sie ihre bewegte und bewegende Lebensgeschichte in dem Buch "Wir leben trotzdem". Mit einer Lesung machte sie Station in der Tufa.

Die Schrecken, die sie in ihrer Jugend erlebte, stehen Esther Bejarano ins Gesicht geschrieben, wie sie die Nummer 41948 als unauslöschbares Zeichen für die Gräueltaten in Auschwitz, dem "größten Friedhof der Welt", in den Arm tätowiert trägt. Verzweifelt ist sie an ihrem Schicksal indes nicht. Resigniert hat sie ebenfalls nicht. "Man muss sich eben wehren", sagt sie. Mitbegründerin des Auschwitz-Komitees

Sogar noch mit 80 Jahren ist Esther Bejarano politisch aktiv, ist Mitbegründerin des Auschwitz-Komitees, Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN), kämpft gegen Faschismus und singt mit der Gruppe "Coincidence" Lieder gegen das Vergessen. Im Jahr 2004 veröffentlichte sie mit ihrer Ko-Autorin Birgit Gärtner ihr Buch mit dem Titel "Wir leben trotzdem: Esther Bejarano - Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden". "Wir müssen immer noch daran erinnern, was in Deutschland geschehen ist, damit so etwas nie mehr passiert", mahnt sie. "Ich will eine Brücke schlagen von der Vergangenheit zur Gegenwart und Zukunft". Sie will junge Leute mit ihrer Botschaft erreichen und aufklären. 1924 in Saarlouis geboren, siedelte Esther Bejarano im Jahr 1936 nach Ulm um. Sie wurde zur Zwangsarbeit nach Fürstenwalde verschleppt, 1943 nach Auschwitz deportiert. Die Eltern und eine Schwester überlebten nicht. Überleben konnte Esther Bejarano, weil sie in das Mädchenorchester des Konzentrationslagers aufgenommen wurde, das Arbeitskolonnen und ankommende Menschentransporte begleiten musste. "Die Menschen kamen aus ganz Europa und fuhren direkt ins Gas", heißt es in ihren Erinnerungen. Die Flucht gelang ihr auf einem "Todesmarsch" im April 1945, im September wanderte sie nach Palästina aus. Dort studierte sie Musik und lernte ihren Mann Nissim kennen. 1960 kehrte sie nach Deutschland zurück - "ins Land der Mörder ihrer Eltern und Schwester". Ein schwerer Schritt. Ängste habe sie ausgestanden. Sie lebt seither in Hamburg. Doch auch in der Hansestadt holte sie die Vergangenheit ein. Ihr Mann betrieb eine Diskothek, die Neonazis heimsuchten. Vor Esther Bejaranos Boutique baute die NPD einen Info-Stand auf. Das war der Anlass für sie, politisch aktiv zu werden. Mit dem Jahr 2003 sollte ihre Geschichte im Buch enden. Aber ihre Erlebnisse bei den Ausschreitungen während der Wehrmachts-Ausstellung am 31. Januar 2004 sollten schließlich das Schlusskapitel werden. "Wir dürfen nicht klein beigeben"

Man könnte meinen, die Sprache würde einem Menschen versagen, der den Schrecken von Auschwitz überlebt hat. Esther Bejarano findet jedoch Kraft und Worte, ihr Wissen um das dunkle Kapitel deutscher Geschichte als Teil des Erinnerns weiterzugeben. Aufreibend sei es, dies immer wieder zu durchleben, "aber ich mache es, weil es wichtig ist. Wir dürfen nicht klein beigeben". Dass viele Schüler offen mit dem Thema umgehen, freut sie. "Ich sage ihnen immer: Ihr habt keine Schuld an dem, was passiert ist. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts von dieser Geschichte wissen wollt."/ek

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