Landwirt mit Leib und Seele

TARFORST. Ein Bauer in der Großstadt: Maternus Dietzen ist der letzte Vollerwerbslandwirt von Tarforst. Vor sechs Jahren übernahm er den Hof von seinem Vater Alois.

 Landleben aus Leidenschaft: Iris und Maternus Dietzen mit einem wenige Tage alten Kalb.Foto: Marcus Stölb

Landleben aus Leidenschaft: Iris und Maternus Dietzen mit einem wenige Tage alten Kalb.Foto: Marcus Stölb

Hilfesuchend blickt Kuh Nummer 601 um sich. Hörbar angestrengt muhtdas Vieh durch den Boxenlaufstall. Jetzt geht alles sehr schnell:Maternus Dietzen und seine Frau Iris eilen hinter das Gitter, dasGeburtsbesteck unterm Arm, einen Eimer heißes Wasser in der Hand.Die namenlose Rotbunt-Kuh presst und drückt, rollt die Augen undschnauft; es dauert keine fünf Minuten, und ihr Kälbchen hat dasgedämpfte Licht des Stalls erblickt. Geburtshelfer Dietzen legtdas Neugeborene auf einen Haufen Stroh, wo es sogleich von derMutterkuh umsorgt wird. 150 Hektar werden bewirtschaftet

Wenn der Hof zum tierischen Kreissaal wird, kann Bauer Dietzen für einen Moment die Mühen des Alltags vergessen. Denn so niedlich die Niederkunft eines Kälbchens auch sein mag, so knochenhart ist doch der Beruf des Bauern. Dabei wusste Maternus Dietzen von Kindesbeinen an, was auf ihn zukommt: als nahezu alle Tarforster Bauern ihre Wiesen und Äcker verkauften, damit auf der Tarforster Höhe die Universität und der Weidengraben entstehen konnten, da sah Senior Alois Dietzen die Zeit zur Expansion gekommen.

Heute werden von Sohn Maternus und Schwiegertochter Iris rund 150 Hektar Land bewirtschaftet. Etwa 150 Tiere leben auf dem Aussiedlerhof, darunter 65 Milchkühe und ein paar Pferde.

"Damals konnte eine Familie von dem Hof noch ganz gut leben, aber heute muss er gleich zwei Familien ernähren. Und das ist nicht immer leicht", berichtet Maternus Dietzen. An sieben Tagen in der Woche arbeitet der 34-Jährige von halb sieben in der Früh bis zum späten Abend auf dem Hof. Vater Alois und Ehefrau Iris unterstützen den jungen Landwirt, der sich keine Festangestellten leisten kann. Vor allem in den Sommermonaten helfen auch Freunde. "Allein die Erhöhungen von Mineralöl- und Versicherungssteuer schlagen bei uns monatlich mit bis zu 750 Euro zu Buche", beziffert Dietzen die zusätzlichen Belastungen aus jüngster Zeit.

Herr über die Buchführung ist gleichwohl Bankkauffrau Dietzen, die "optimale Ergänzung" für ihren Mann, wie sie sagt. Die fünf Monate alte Tochter Jasmin auf dem Arm, marschiert sie über den Hof. "Ich war schon immer ein Naturmensch, ich muss einfach raus", sagt sie über sich. Deshalb macht ihr die Arbeit mit ihrem Mann auch so großen Spaß. Und auch Maternus Dietzen kann sich einen schöneren Beruf nicht vorstellen. Mag es wirtschaftlich auch nicht so gut ausschauen, eine derart vielseitige Aufgabe werde er wohl nicht wieder finden.

Die Dietzens suchen sie auch nicht, denn dass der Hof weiter bestehen wird, steht für die Familie außer Frage. Jedes Jahr im Mai veranstalten sie ein großes Hoffest, bieten Live-Musik und Landleben und ziehen mit diesem Angebot rund vierhundert Gäste auf die Tarforster Höhe. "Wir haben das auch gemacht, weil wir mit unseren Traktoren immer wieder durch den Ort fahren müssen", sagt Maternus Dietzen. Aus der netten Geste wurde so eine gute Tradition, die auch in diesem Jahr fortleben soll. Noch wohnen die Dietzens im Ort, doch leben möchten sie eigentlich auf dem Hof. Wenn es die Finanzen wieder zulassen, wollen sie ein Haus bauen und eventuell ein paar Ferienwohnungen einplanen. Eine Mischung aus Ferien auf dem Bauernhof und Urlaub in der Römerstadt - vielleicht geht dieses Konzept ja auf.

Morgen in unserer Tarforst-Serie: Einkaufen im Stadtteil.

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