Leben nach Wunsch

Schwerbehinderte Menschen sind im Alltag auf andere Menschen angewiesen, die ihnen bei den täglichen Handgriffen assistieren. Als Arbeitgeberin bestimmt Donate Kreutz eigenverantwortlich, welche Hilfe sie wann und von wem in Anspruch nehmen möchte.

 Ein selbst bestimmtes Leben führt Donate Kreutz dank ihrer Assistentinnen, die ihr Hände und Füße ersetzen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Ein selbst bestimmtes Leben führt Donate Kreutz dank ihrer Assistentinnen, die ihr Hände und Füße ersetzen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier-Süd. Für nichtbehinderte Menschen eine Selbstverständlichkeit: am Wochenende aufstehen, duschen oder Freunde besuchen, wann immer es beliebt. In Pflegeheimen entscheidet darüber das Personal, Pflegedienste arbeiten nach minutiösem Dienstplan und die Menschen, die täglich um einen herum sind, kann man sich nicht aussuchen. Für viele Schwerbehinderte ist es oft nicht möglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.Donate Kreutz hat ihren Weg gefunden. Die auf den Rollstuhl angewiesene Frau ist Assistenznehmerin; die einzige in Trier. Von dem Pflegemodell hatte sie durch das Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL) in Mainz erfahren. Seit Oktober 2006 ist die 39-Jährige Arbeitgeberin für zehn persönliche Assistentinnen, die ihr rund um die Uhr "Hand und Fuß ersetzen". Dadurch ist sie in ihrer eigenen Wohnung im Schammatdorf unabhängig von Pflegediensten und deren Personal.

"Mir wurden über Jahre hinweg verschiedene Leute zugeteilt, die ich akzeptieren musste", sagt die an der seltenen neuromuskulären Erbkrankheit Friedreichs Ataxie leidende Frau. Zudem sei sie in ihrer Tagesplanung stark eingeschränkt gewesen, da sie stets zum Dienstwechsel alle sechs Stunden zu Hause sein musste. "Jetzt suche ich mir meine persönlichen Assistentinnen selbst aus." Erfahrung in der Pflege oder mit behinderten Menschen sei nicht notwendig, jedoch für alle hilfreich. Bewerberinnen, die ihr sympathisch sind, werden beim stundenweise Probearbeiten individuell auf ihre Bedürfnisse eingewiesen. "Wir müssen ja erst einmal sehen, ob wir miteinander klar kommen." Schließlich sei es ein besonders persönliches Verhältnis von Arbeitgeberin und Angestellten.

Die Assistentinnen arbeiten in einer 24-Stunden-Schicht, erledigen sämtliche Tätigkeiten in Haushalt, Freizeit, Büro, Pflege und medizinischer Versorgung. "Wenn ich früher Tabletten brauchte, musste extra eine Schwester kommen." Denn Pflegedienste dürfen keine Medikamente ausgeben. Das sei bei Assistentinnen anders. Sie könne frei entscheiden, wo und wann assistiert werden solle oder wer sie bei Terminen begleite.

Als Donate Kreutz im vergangenen Jahr das Arbeitgebermodell beim Sozialamt beantragte, wurde es genehmigt, da sie geringere Kosten hat als Pflegedienste. Anfangs wurde ihr eine Vollzeitkraft bewilligt, im Februar konnte sie die zweite Vollzeitstelle schaffen. Zudem umfasst ihr Team acht Studierende. Das Arbeitgebermodell bedeutet für Donate Kreutz, eigenständig Arbeitsverträge und Dienstpläne zu erstellen und die Löhne abzurechnen. Dennoch ist sie überzeugt, das Richtige getan zu haben. "Ich bin auf jeden Fall zufriedener."

Extra Das Arbeitgebermodell als persönliche Assistenz entstand in den 70er Jahren und soll behinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Dazu gehören eine eigene Wohnung und die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Schwerbehinderten, bei Minderjährigen deren Eltern, stellen ihre Assistenten nach dem Arbeitgebermodell selbst mit Arbeitsvertrag ein. Finanziert werden die Arbeitskräfte von Sozialämtern, Kranken- und Pflegekassen. Die pflegeabhängigen Assistenznehmer sorgen selbst für die notwendige Einarbeitung und übernehmen den größten Teil der Verwaltung. Das spart Kosten; gleichzeitig werden die Pflegequalität verbessert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Informationen über das Arbeitgebermodell sind erhältlich beim Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen Koblenz e.V. unter der Telefonnummer 0261/5796151 und im Internet unter www.insel-koblenz.de.

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