Mitleid ist ihr Geschäft

TRIER. Die Stadt Trier hat gewerbsmäßiges Betteln auf Straßen, Wegen und Plätzen verboten. Polizei und Ordnungsamt haben dabei nicht die altbekannten Obdachlosen im Visier. Sie wollen konsequent gegen eine Bande vorgehen, die Menschen aus Osteuropa in die Innenstadt schickt und sie dort im Schichtbetrieb betteln lässt.

Der Mann wirkt extrem müde und ausgebrannt. Sein Alter lässt sich nur schwer schätzen - er könnte 40, aber auch schon 60 Jahre alt sein. In demütiger Haltung kniet er, den Blick zum Boden gerichtet, am Rand des Hauptmarkts auf dem nassen Asphalt. Vor ihm steht sein Hut, in dem ein paar Münzen schimmern. Seine gesamte Erscheinung sendet eine eindeutige Botschaft aus: Ich bin am Ende. Bitte helft mir. "Diese Botschaft wird von der organisierten Kriminalität pervertiert", sagt Roman Schmitz, Leiter des kommunalen Vollzugsdienstes Trier. "Arme Menschen werden unter fadenscheinigen Versprechen nach Deutschland gelockt und hier in Gruppen zum Betteln geschickt." Die Verzweiflung des Mannes auf dem Hauptmarkt wirkt echt. "Wenn er sein Tagessoll nicht erreicht, droht man ihm mit Folgen für seine Familie in der Heimat", sagt Schmitz. Die Täter werden zu Opfern. 51 Männer und Frauen aus Osteuropa werden mit Kleinbussen zu strategischen und täglich wechselnden Punkten in der Innenstadt transportiert und dort zum Betteln abgesetzt - das haben die Ermittlungen des Vollzugsdienstes und der Polizei ergeben. Die Leiter der Gruppen, Schmitz nennt sie "Zuhälter", achten darauf, dass die Position stimmt und die Schichtpläne eingehalten werden. "Dieses systematische, gewerbsmäßige Betteln wird nicht mehr geduldet", sagt Ordnungsdezernentin Christiane Horsch. Die Stadt hat am Freitag eine Allgemeinverfügung veröffentlicht, die das organisierte Betteln generell verbietet (der TV berichtete). Polizei und Vollzugsdienst dürfen "unmittelbaren Zwang" anwenden und die Bettler abführen, wenn diese einem Platzverweis nicht folgen. "Viele verstehen kein einziges deutsches Wort", sagt Schmitz. Dennoch erhielten die Ermittler Informationen aus erster Hand. Eine Frau meldete sich im Café Haltepunkt des Sozialdienstes katholischer Frauen und traf dort eine Mitarbeiterin an, die ihre Sprache verstand. Sie schilderte ihre Situation: Man habe ihr Geld versprochen und sie damit nach Deutschland gelockt. Jetzt wird sie zum Betteln gezwungen. "Sie hatte große Angst und verschwand gleich wieder", schildert Schmitz. Das Verbot soll dazu beitragen, diese Form der Ausbeutung zu bekämpfen, betont Ordnungsdezernentin Horsch. "Obdachlose Bettler, die ihren Tagesbedarf decken, sind nicht betroffen." Wie ist Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns. Ihre Zuschrift sollte maximal 30 Zeilen à 30 Anschläge lang sein und bis heute, 14 Uhr, vorliegen. Fax: 7199439; E-Mail: echo@volksfreund.de

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