Nicht tot, nur verschüttet

"En richtig schie Stündschie" oder eher derer zwei bereitete Lieselotte Haupers (80) ihren Gästen im mittelalterlichen Turmsaal des Frankenturms. 80 Interessierte nahm sie mit in die Gefilde der Trierer Mundart und rezitierte Gedichtetes ausschließlich aus eigener Feder.

 Mit ihrem Gedicht-Band „Morjestonn aon der Mariejesäul“ bewahrt Lieselotte Haupers die trierische Sprache und ein Stück kulturelle Identität. TV-Foto: Cordula Fischer

Mit ihrem Gedicht-Band „Morjestonn aon der Mariejesäul“ bewahrt Lieselotte Haupers die trierische Sprache und ein Stück kulturelle Identität. TV-Foto: Cordula Fischer

Trier. "Für mich ist die Trierer Mundart eine wunderschöne Sprache. Aber selbst ich spreche sie im Alltag nicht mehr", sagt Lieselotte Haupers. Trotzdem: Das "Umgangsmoselfränkisch", dessen sich viele befleißigen, kommt der Mundart-Aktivistin nicht über die Lippen. "Es ist fast museal, was wir hier machen", sagt Haupers. "Aber die Sprache ist nicht tot, sondern nur verschüttet." Mit ihren Gedichten schafft die 80-Jährige ein wertvolles geschriebenes Gedächtnis des Moselfränkischen.In Sachen Mundart ist Lieselotte Haupers eher eine Spätberufene. Obwohl sie von Geburt an eine Triererin ist, ihre Kindheit und Jugend in Heiligkreuz verbrachte und nun in Trier-Süd lebt. Erst Anfang der 80er Jahre entdeckte sie die Sprache ihrer Heimat für sich und die Möglichkeit, ihre Erlebnisse und Gedanken damit auszudrücken. Wenn Lieselotte Haupers dichtet, muss alles herhalten — ihre Kinder, der Beruf des Vaters als einer der letzten "Landbriefträjer" in Trier, "Der Modder her Daageboch", das Gärtchen im Weißhauswald, das sie mit ihrem Mann seit 40 Jahren gepachtet hat, die Natur ihrer Heimat oder die Anekdote über Geerdner's Fränzjen aus Zalaawen und "Dat Geböß".

Dass sie die Anregungen für ihre unterhaltsamen "Stöggelcher" dort findet, wo sie geht und steht, macht nicht nur den Reiz ihre Poeme aus, sondern macht sie auch zu einem Stück kultureller Identität der Trierer und bewahrter Stadt- und Familiengeschichte. 1984 belegte sie den ersten Platz im Mundartwettbewerb des Saarländischen Rundfunks und des Saarfunks. Lesungen im Trierer Kulturtelefon und im Radio folgten, und Haupers steuerte Beiträge für das Neue Trierische Jahrbuch, die Rheinland-Pfälzische Mundartanthologie und andere Heimatliteratur bei. "Mundart ist zu schade, um damit nur zu Fastnacht Klamauk zu machen. Sie ist so schön, dass man auch ernste Themen damit ansprechen kann." So hat sie in ihrem Gedichtband "Morjestonn aon der Mariejesäul" Heiteres und Besinnliches gesammelt, über Stadt und Leute, Tiere, besondere Tage und Jahreszeiten geschrieben und "e paor fromme Gedanken" zusammengereimt.

Gewidmet hat sie das Brevier sprachlicher Heimatpflege 1997 dem Verein Trierisch zu dessen 100-Jahr-Feier. Zehn Jahre später, im November 2007, wurde Haupers vom Verein zum Ehrenmitglied ernannt. "Darauf bin ich schrecklich stolz. Obwohl ich doch nichts anderes gemacht habe, als Mundart zu schreiben", sagt Haupers bescheiden.

Als Dank dafür veranstaltete sie die Lesung im Frankenturm. Die war nicht nur für die Gäste und die Vereinsmitglieder etwas Besonderes, sondern für die Hauptakteurin selbst auch, da sie sie in Eigenregie ausrichtete. Außerdem "ist es eine ganz große Freude für mich, wieder einmal nur meine eigenen Sachen zu lesen". Denn bei diversen Mundart-Stammtischen und -Veranstaltungen rezitiert Haupers immer wieder auch Werke anderer Autoren. Ein wohl noch einmaligeres Erlebnis war es für die Mundart-Dichterin, als sie bei der Einweihungsfeier der frisch sanierten Mariensäule im September 2007 ihr Gedicht über das Trierer Wahrzeichen vortragen konnte. "Ich bin stolz, dass ich das alles mit 80 noch machen und erleben kann."

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