Noch viel zu tun

Ehrenmorde, Kopftücher, Zwangsheiraten: Ein Jahr nach der Debatte um muslimische Parallelgesellschaften ist das Thema "Multikulturalismus" weiterhin aktuell. Im Trierer Exhaus standen Experten Rede und Antwort. Schließlich haben mindestens 14 000 Menschen in Trier einen "Migrationshintergrund".

 Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion: (von links) Wolfgang Faller, Sigrun Priemer, Corinna Rüffer, Klaus Blees und Maria de Jesus Duran Kremer. TV-Foto: Miguel Castro

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion: (von links) Wolfgang Faller, Sigrun Priemer, Corinna Rüffer, Klaus Blees und Maria de Jesus Duran Kremer. TV-Foto: Miguel Castro

Trier. Liegt es am Veranstaltungsort, dem Exhaus, oder liegt es an einem abgeflachten Interesse am Thema Integration? Auf eher wenig Resonanz stieß eine Podiumsdiskussion zum Thema "Multikulturelle Gesellschaft: Auslaufmodell oder Erfolgsstory". 30 Zuhörer, die meisten jüngeren Alters, fanden sich im Balkensaal des Exhauses ein. Fünf Vertreter von Gruppierungen und Institutionen, die sich mit der Thematik beschäftigen, standen Rede und Antwort. Eine von ihnen: Maria de Jesus Duran Kremer, Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt Trier und SPD-Stadtratsmitglied. Sie sperrte sich gegen den Begriff "Ausländer", sprach von "Nicht-Deutschen". Die Bezeichnung "Ausländer" verwische die unterschiedlichen Merkmale der Migranten.Warnung vor Pauschalisierungen

Die Beiratsvorsitzende nannte aktuelle Zahlen für Trier: Demnach seien 8034 Ausländer in Trier wohnhaft. Zusammen mit den Doppelstaatlern ergebe dies eine Zahl von 14 000 Bürgern mit Migrationshintergrund - nicht eingerechnet die Zahl der Spätaussiedler aus Osteuropa, die in den Statistiken ihrer deutschen Staatsbürgerschaft wegen nicht gesondert erfasst werden, sagte Duran Kremer. Der Beirat versuche, die Arbeitslosen oder Benachteiligten dieser Migranten zu unterstützen, in Form von kostenlosen Sprachkursen und Projekten zur beruflichen Integration.Sigrun Priemer vom Multikulturellen Zentrum Trier betonte, man befinde sich hinsichtlich Integration noch am Anfang. Klaus Blees vom Veranstalter "Aktion 3. Welt Saar" begrüßte Multikulturalismus, warnte aber vor sich abschottenden Gruppen. Und: "Es kann nicht sein, dass Zwangsheirat, Ehrenmorde oder Kopftuchzwang akzeptiert werden." Dafür erntete er Widerspruch. "Ich lebe in einer türkischen Gemeinschaft und habe noch nie eine Zwangsheirat erlebt", sagte eine Zuhörerin, die vor Pauschalisierungen und Reduzierung ausländischer Gruppen auf Schlagwörter warnte."Multikulti" in Trier kein Erfolgsmodell

Dabei ist das Problem der Integration ein alter Hut. Podiumsteilnehmer Wolfgang Faller, Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Rheinland-Pfalz, erinnerte an die Ruhrpolen des vorigen Jahrhunderts oder die Vertriebenen nach 1945. "Die stießen in ihrer neuen Heimat oftmals auf Ablehnung und Vorurteile." Migranten seien immer willkommen gewesen, wenn es nötig war. Sobald dies nicht mehr der Fall gewesen sei, habe man versucht, diese flexible Masse an Arbeitskräften wieder loszuwerden, sagte Faller. Die Interessen der Zugezogenen habe man nie berücksichtigt.Das ist mittlerweile anders, glaubt man den Aussagen der Teilnehmer. Allein in Trier arbeiten mehrere Gruppierungen, die sich der spezifischen Sorgen der Ausländer annehmen, sagte Duran Kremer, etwa der Jugendmigrationsdienst, Palais, Exhaus und Multikulturelles Zentrum. "Multikulti" sei in Trier aber kein 100-prozentiges Erfolgsmodell, und für Änderungen etwa hinsichtlich des kommunalen Wahlrechts für alle Ausländer oder der Anerkennung von Schul- und Universitätsdiplomen fehle der Stadt die Kompetenz. Duran Kremer fordert, das Thema Integration als Gemeinschaftsarbeit zu betrachten. "Alle Institutionen müssen zusammenarbeiten. Es liegt in unseren Händen."Drei Fragen an Maria de Jesus Duran Kremer, Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt Trier: Wie steht es um die Ausländer in Trier? Sie sind selbstbewusster geworden, haben ein größeres Selbstverständnis. Man hat einfach keine Angst mehr, als "Ausländer" zu gelten. Und die einheimische, "deutsche", Bevölkerung? Die hat sich ebenfalls gewandelt. Als wir zum ersten Mal das Ausländerfest veranstalteten, gingen die Leute vorbei, schauten neugierig. Heute, bei der 13. Auflage, sitzen viele mit an den Ständen und unterhalten sich. Wer ist etwa integriert? Die Kinder der Einwanderergeneration der siebziger Jahre sind es in den meisten Fällen, sie haben einen deutschen Pass, eine Ausbildung, Arbeit. Trotzdem gelten auch sie bis heute als Migranten. Die Fragen stellte unser Redaktionsmitglied Miguel Castro

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