Prozess endet mit Bewährungsstrafe und deutlichen Worten

Trier · Ein Mann aus dem Hochwald soll zwei Pflegekinder sexuell missbraucht haben. Das Landgericht hat keine Zweifel an seiner Schuld - und macht einen Deal mit ihm.

Trier Es gehört zur Natur der Sache, dass Gerichtsurteile regelmäßig auf reichlich unsicherem Boden gefällt werden müssen: Oft steht Aussage gegen Aussage, und für die verhandelte Tat gibt es keinen greifbaren Beweis, keine Spuren, wo in anderen Fällen vielleicht Diebesgut gefunden wird oder Fingerabdrücke oder ein Einschussloch. Jetzt hat das Landgericht Trier nach einem langen Prozess, in dem sich Anklage und Verteidigung ganz uneinig waren, einen 67-Jährigen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt - für den achtfachen Missbrauch zweier Schutzbefohlener, in einem Fall sogar im Kindesalter. Da die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, muss der bislang nicht vorbestrafte Mann nicht ins Gefängnis. Allerdings muss er seinen beiden ehemaligen Pflegetöchtern Entschädigungen von insgesamt 14 000 Euro zahlen. Das Urteil ist Ergebnis einer "verfahrensbeendenden Absprache" zwischen allen Parteien: Dem Angeklagten war das vergleichsweise milde Urteil für ein Geständnis in Aussicht gestellt worden, das dieser am Freitag schließlich ablieferte - allerdings nicht etwa als reuevolle Einlassung, sondern in Form einer knappen Erklärung des Anwalts Jens Schmidt.
Diese "Schmallippkeit" kritisierte der Vorsitzende Richter Günther Köhler später in seiner Urteilsbegründung, die so detailliert war, wie es ein Prozess erfordert, der sich lang hingezogen hatte. Immerhin, so Köhler, habe das knappe Geständnis doch zu einer Verkürzung geführt - und die beiden mutmaßlichen Opfer rehabilitert: "Denn jetzt ist klar, dass Sie es waren, der gelogen hat, und nicht die beiden", sagte Köhler zu dem Angeklagten, der sich stets als Ziel einer Intrige dargestellt und außerdem die Fähigkeiten einer Sachverständigen in Zweifel gezogen hatte. Köhler erklärte mehrfach, das Gericht habe keinerlei Zweifel, dass sich der Angeklagte seinen Pflegekindern immer wieder sexuell motiviert genährt habe. Von 112 abgeschätzten Taten hatte das Gericht acht als erwiesen angesehen. Daran änderte auch der Rückhalt nichts, den der Angeklagte nicht nur von seiner Ehefrau, sondern sowohl vom leiblichen Bruder der Pflegekinder als auch sogar von deren leiblichem Vater erhalten hatte. Sie hatten die mittlerweile erwachsenen Nebenklägerinnen mehrmals als Lügnerinnen charakterisiert oder als verwirrte Seelen. Doch für das Gericht zeigt etwa das Zustandekommen der Vorwürfe, die zunächst nur engen Freunden oder dem eigenen Tagebuch anvertraut wurden, dass es sich eben nicht um ein spät fabriziertes Lügenkonstrukt handele. Für hörbare Empörung sorgte noch ein harter Satz in Richtung der Familie des Angeklagten: Es sei dem Gericht nur selten vorgekommen, dass sich eine Mutter bei einem Missbrauchsverdacht so konsequent gegen das mutmaßliche Opfer stelle. "Vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass sie ein Pflegekind einfach nicht so sehr lieben wie ein leibliches", erklärte der Richter zum Ende eines Prozesses, der wohl keine Partei zufrieden zurücklässt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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