Respekt dem Leben

Da geht des Tags oder des Nachts jemand umher, der Gefallen hat an Blumen und nimmt sie mit. Das tut derjenige aber nicht auf Feldern und Wiesen, sondern auf dem Trierer Friedhof. Danach stehen Angehörige fassungslos am gerupf-ten Grab der Verstorbenen.

Zu ihrer Trauer, an der sie bisweilen schon schwer genug zu tragen haben, mischt sich Wut. Wut über die Zerstörung liebevoll gepflegter Gräber. Wut, weil da jemand ihre Bewältigung der Trauer nicht ernst nimmt. Ich kann das gut verstehen. Oft höre ich in Gesprächen mit Angehörigen: "Für mich ist es lebenswichtig, das Grab zu pflegen." Und das nicht, weil der Verstorbene zurückkommt, noch weil Gott beeinflusst werden soll, wie es einst die Menschen in der Antike durch Grabbeigaben tun zu können glaubten. Nein, die Angehörigen werden in der Starrheit über die Trauer wieder aktiv, können den Ort ihrer Trauer mit eigenen Händen gestalten. Vor dem Tod Nichtgesagtes findet hier oft seine Äußerung. Mancher hat nur hier Ruhe für das Gebet. "Mir gibt das alles Kraft für das Leben außerhalb des Friedhofs", sagte mir mal eine Frau. Da ist der Ort des Todes bedeutsam für das Leben. So erging es schon Maria von Magdala. Nach Jesu Tod kam sie voll Trauer zum Grab. Den Auferstandenen hält sie zunächst bezeichnenderweise für den Gärtner. Sie erkennt die wahre Person erst, als Jesus sie beim Namen nennt. Der vermeintlich Tote spricht sie im-mer noch an! Gestärkt kehrt sie vom Feld des Todes ins Leben zurück. Darum also, weil es auf Friedhöfen ums Weiter-Leben geht, nicht nur dem der Blumen, verdient der Ort Respekt aller Lebenden. Immer. Vanessa Kluge, Pfarrerin z.A., kluge.ehrang@ekkt.de

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