Schuldig ohne Ausweg?

TRIER. (red) Ein Vortrag von Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz im Angela-Merici-Gymnasium Trier beschäftigt sich mit der Kraft der Vergebung in postmodernen Zeiten.

Gerl-Falkovitz sprach auf Einladung des Zweigvereins Trier des Katholischen Deutschen Frauenbundes, der Katholischen Akademie Trier, der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Trier, Fachstelle Trier, in der Aula des Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums. Sie fragte nach dem Ursprung der letztlich nicht wegtherapierbaren Schuld, die im 20. Jahrhundert mörderische Züge angenommen hat. Der Mensch - so die Referentin - komme in seiner Gebrochenheit nicht mit sich zurecht, lebe in Angst, mache andere dafür verantwortlich und glaube, mit dem Wegschaffen des Anderen sich des Problems entledigen zu können. Aber in der gegenseitigen Anklage oder auch in der gegenseitigen vordergründigen, harmoniesüchtigen Entschuldung wird Schuld nicht gelöst. Viele Religionen bezeichnen das Verstricktsein als "Netz", Verhängnis, Schicksal, als Tragik, der man nicht entkommen kann. Das biblische Judentum versuche sich im jährlich wiederholten Ritual des Sündenbocks der Schuld zu entledigen. Endgültige Vergebung könne jedoch nur als Neubeginn von Beziehung erfolgen, und zwar einer Beziehung ohne Fassade oder Vorbehalte, einzig aus vorbehaltloser, authentischer Zuneigung in Liebe. Diese Lösung könne in letzter Glaubwürdigkeit nur von außerhalb des Menschenmöglichen kommen, durch Gott. Der christliche Glaube bürde dem Menschen kein klein machendes Schuldbewusstsein auf. Auch werde Schuld nicht mit einem Maus-Click getilgt, vielmehr erfährt der Mensch in der bewussten, aber "durchlichteten Schuld", wer er ist. Gerl-Falkovitz führt den Austausch zwischen den zwei jüdischen Agnostikern Jankélévitch und Derrida an. Der Erste kommt zu dem Schluß: Was ändert Vergebung an der Schuld? Auf der Zeitachse kann nichts zurückgeholt werden. Man muss davon ausgehen, dass es keine Vergebung gibt. Derrida dagegen: Vergebung - wenn es sie gibt - verzeiht nur das Unverzeihliche. Aufgabe der Kultur ist es, eine Stelle freizuhalten, wo es Vergebung gibt. Die Referentin dazu: Vergebung muss zurückführen an die Stelle, wo etwas geschehen ist und nur von hier aus bereinigt werden kann. Im Letzten Gericht werde Gott durch Jesus Christus nicht gnadenlos abrechnen, vielmehr das in Schuld Gekrümmte wieder aufrichten. Von daher versteht sich, dass Schuld nicht durch Bußakte aufgehoben werden könne, sondern einzig durch Wiederanknüpfen der zerrissenen Fäden der Gottesbeziehung.

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