Selber Segel setzen

Manchmal ist die Wirklichkeit schöner, als immer bloß zu träumen. Zum Beispiel beim ersten Segel-Unterricht auf der Mosel. Auch wenn vor dem eigentlichen Spaß an Natur, Wind und Wasser zuerst mal viel gelernt werden muss.

 Eine Bö drückt Mosh auf die Seite: Ich (orange Weste) plumpse vom Bootsrand, Martin grinst entspannt. TV-Foto: Hans Krämer

Eine Bö drückt Mosh auf die Seite: Ich (orange Weste) plumpse vom Bootsrand, Martin grinst entspannt. TV-Foto: Hans Krämer

 Eine Bö drückt Mosh auf die Seite: Ich (orange Weste) plumpse vom Bootsrand, Martin grinst entspannt. TV-Foto: Hans Krämer

Eine Bö drückt Mosh auf die Seite: Ich (orange Weste) plumpse vom Bootsrand, Martin grinst entspannt. TV-Foto: Hans Krämer

Trier. "Mein Schicksal heißt Kathena", "Im Atlantik verschollen", "1000 Tage Robinson". Ich habe sie alle gelesen, die Klassiker über das Abenteuer Segeln. Über die Freiheit, die auf offener See bei Wind und Wellen zu spüren sein soll. Über Fregattvögel, die nach einer Ozeanüberquerung das nahende Festland ankünden. Und auch, wie man aus einem Stück Segel und einem Eimer eine Frischwasseraufbereitungsanlage baut - falls das Boot zum Beispiel nach dem Zusammenstoß mit einem Wal kentert und man sich in ein spartanisches Gummiboot retten muss - weiß ich aus Büchern. Ich war einst verliebt in einen Segler. Ich war auf der Kieler Woche. Nur selbst gesegelt, das bin ich noch nie. Bis zu diesem Sommer.

Gut, die Mosel ist nicht der Atlantik, der Monaiser Hafen nicht Marseille. Und in das offene Kielboot, das Segellehrer Martin Lebenstedt für meine erste Segelstunde ausgesucht hat, würden noch nicht mal die Vorräte für drei Tage auf hoher See passen. Aber Mosh, so heißt das Boot, hat alles, was es zum Segeln-Lernen braucht: Eine Pinne zum Steuern, vorn ein kleines Segel mit Strippen dran und hinten ein großes Segel mit noch mehr Strippen dran. "Das sind Großsegel und Fock, und die Strippen heißen Großschot und Fockschot", erklärt Martin. Zur Sicherheit muss ich eine unbequem steife, orange Schwimmweste anziehen. Über die dicke Regenjacke. Der Wind bläst dazu mit Windstärke drei bis vier. "Perfekter Lernwind", sagt Martin. "Dann spürt man die Pinne in der Hand und den Druck auf die Segel. Feedback vom Boot ist ganz wichtig für Anfänger."

Ein großer Schritt vom Außensteg aufs Boot. Mosh schwankt. Das Großsegel flattert. Der Baum, das lange Rohr, an dem der untere Rand des Großsegels befestigt ist, pendelt leicht von links nach rechts. Ein Ende der Fockschot muss ich in die Hand nehmen und fest anziehen. Schon sind wir mitten auf der Mosel. "Wenn ich sage ,Jetzt', lässt du die Schot los, duckst dich unter dem Baum durch und ziehst auf der anderen Seite die Fock wieder an", sagt Martin. Ich tue, wie geheißen. Der Baum saust über meinen Kopf auf die andere Seite. Das Boot legt sich in die Kurve. "Das war deine erste Wende", sagt Martin. Zur Übung wenden wir auf der Mosel ein paar Mal hin und her. "Je nachdem wie der Wind die Fock bläht, musst du ein bisschen nachgeben oder anziehen", versucht Martin mich in die Geheimnisse von Windströmung, die am geblähten Segel entstehenden Druckverhältnisse und den damit verbundenen Vortrieb einzuweihen. Ich verstehe gar nichts und versuche am "Verklicker" - dem kleinen Drahtpfeil am oberen Ende des Masts - wenigstens abzulesen, woher der Wind bläst.

"Achtung, eine Bö", ruft Martin. Die Segel blähen auf, Mosh legt sich unter dem Druck auf die Seite. Meine Turnschuhe rutschen über den Bootsboden, ich plumpse mit dem Hinterteil von der sich plötzlich gen Himmel reckenden Bordkante und stemme meine Füße gegen die Bootswand unten. Moshs rechter Rand zischt nur haarscharf über die Wasseroberfläche.

Dann ist die Bö weg und Mosh wieder lieb und flach. Für mich waren die Sekunden dramatisch, für Martin offenbar ein großer Spaß. "Das war noch gar nix", sagt er. "Das Boot kann sich bis zu 45 Grad neigen, bevor's wirklich kippt. Kielboote sind kaum zu kentern."

Dann darf ich ans Ruder. Dessen Prinzip ist mir schneller klar als die Sache mit dem Wind. Ich drücke die Pinne von mir weg, Mosh steuert nach rechts, pardon, steuerbord. Ich ziehe die Pinne zu mir, schon geht's nach backbord. "Uuuuuuund wenden", gibt Martin das Kommando. Pinne rum, unterm Baum durchducken, und Pinne wieder in die Mitte zum Kurshalten, das klappt. Um ein großes Schubschiff vorbeizulassen, segeln wir parallel zum rechten Moselufer. Der Wind kommt von hinten und treibt das Großsegel quer zum Boot. Die Fock stellt Martin gegenüber auf. Warum das Manöver "Schmetterlingssegeln" heißt, ist unschwer an den beiden Segeln, die wie Flügel vom Mast abstehen, zu erkennen. "Schmetterlingsseglen kann aber auch Kopfschmerzen machen", warnt Martin. Denn sobald Wind oder Boot sich auch nur ein bisschen schräg stellen, schlägt das Großsegel samt Baum unvermittelt um. Eine Beule bekommt also, wer das Boot nicht gerade vor dem Wind hält und sich bei einer solchen versehentlichen "Patent-Halse" nicht schnell genug duckt.

Nach anderthalb Stunden legen wir wieder am Außensteg des Monaiser Hafens an. "Am Anfang ist Segeln Konzentration, Spaß gibt's nur am Rande", tröstet Martin mich. Tatsächlich bin ich vor lauter Acht geben auf den Baum, Strippen ziehen, Kurs halten, Wind beobachten und erschrocken sein gar nicht richtig dazu gekommen, das zu genießen, wovon alle Segler schwärmen: Vom Rauschen der Bugwelle, flatternden Segeln, Ruhe, Entspannung, Natur. Aber ich habe jetzt eine echte Ahnung davon, wie schön Segeln sein kann. Und das ist viel besser als ein bloß angelesener Traum.

Segeln, Bananen-Boot, Wasserski, Kajak und Motorboot fahren: Auf Mosel und Saar kann man viel erleben. Was, zeigt der TV in den nächsten Wochen in einer Sommerserie. EXTRA Segeln lernen: Der von der Segelabteilung des Vereins Postsport-Telekom-Trier (PST) betriebene Yachthafen Monaise bietet jedes Jahr von Mai bis Juli einen Kursus zum "Amtlichen Sportbootführerschein Binnen" an. Infos und Anfragen für 2009 sind möglich per E-Mail an s.peters@yachthafen-trier.de. Für Kinder ab sieben Jahren gibt es jeden Samstag ein spezielles Ausbildungsprogramm, Infos unter e.kraemer@yachthafen-trier.de. Auch Schnupper-Segelstunden sind möglich. Ansprechpartner ist Hafenmeister Jürgen Krein, Telefon: 0651/84311. Kurse bietet auch das zum Konzer Wassersportclub e.V. gehörende Wassersportzentrum Saar-Mosel an, Infos unter Telefon 06501/99380. (woc)

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