Stadt Trier sucht Wohnraum für mehr als 850 Neubürger

Trier · Nicht nur die Aufnahmeeinrichtungen haben mit der großen Zahl der Flüchtlinge zu kämpfen. Auch die Stadt Trier wird vor enorme Herausforderungen gestellt. Die Zahl der Menschen, für die bis zum Jahresende Unterkünfte gefunden werden müssen, steigt auf mindestens 850.

 Siegfried Döhr vom Trierer Bürgerservice stattet eine Wohnung in Trier-Quint mit Möbeln aus. Hier werden bald Flüchtlinge einziehen.

Siegfried Döhr vom Trierer Bürgerservice stattet eine Wohnung in Trier-Quint mit Möbeln aus. Hier werden bald Flüchtlinge einziehen.

Foto: Friedemann Vetter

Von 350 zugewiesenen Migranten war zu Beginn des Jahres die Rede, zu Beginn des Sommers rechnete die Verwaltung bereits mit bis zu 600 Menschen, für die Unterkünfte gefunden werden müssen. Nach den neuen Prognosen des Bundes ist auch diese Planung Makulatur. Mindestens 850 Kinder, Frauen und Männer sind es nun, die noch bis zum Jahresende unterzubringen sind. 72 sind schon da und haben zwölf der 50 Wohnungen bezogen, die bislang von der Stadt für Flüchtlinge gemietet wurden.
Sozialdezernentin Angelika Birk beschönigt die Situation nicht. "Wir sind noch dabei, die Strukturen aufzubauen, um die Hilfe für die Menschen effektiv koordinieren zu können", sagt sie im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund. "Wir bitten alle Trierer, die über die Internetseite der Stadt ihre ehrenamtliche Hilfe angeboten haben um Verständnis, dass wir uns noch nicht bei ihnen gemeldet haben. Aber die Suche nach Wohnraum hat derzeit Priorität."
Zudem gehe es bei allen Flüchtlingen nicht nur um das Thema Unterkunft, sondern auch um die Vollversorgung inklusive Gesundheitsversorgung, Kita- und Schulplätze. "Mit einer Handvoll Sozialarbeitern ist das nicht zu stemmen", sagt die Bürgermeisterin "In den Bereichen Jugendamt, Sozialamt und Ausländeramt benötigen wir insgesamt etwa 20 zusätzliche Mitarbeiter."
Dass Personal gebraucht würde, war bereits im Frühjahr klar. Dieses einzustellen ist für die Stadtverwaltung nicht ganz einfach, weil jede zusätzliche Stelle vom Stadtrat beschlossen und danach - wegen der hohen Verschuldung Triers - von der Aufsichtbehörde ADD genehmigt werden muss. Dies passierte auch für einige Stellen. Zu wenige, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Seit Anfang August ist die neue Koordinatorin für die Flüchtlingsarbeit in Trier im Dienst. Sie wurde in den vergangenen Wochen allerdings derart mit Anfragen überhäuft, dass sie kaum noch ihre derzeit vorrangige Aufgabe wahrnehmen konnte: den Aufbau von Strukturen für ehrenamtliche Hilfe. Das Konzept dafür scheint nun weitestgehend fertig zu sein. "Voraussichtlich am 15. September werden wir in Zusammenarbeit mit der Ehrenamtsagentur starten können", sagt Bürgermeisterin Birk. Dann sollen langfristig belastbare Abläufe entstehen, um die Neubürger zu integrieren.
Geht es nach dem Willen von Stadtvorstand und Rat, sollen die Flüchtlinge möglichst dezentral wohnen, verteilt auf das gesamte Stadtgebiet. Längst ist allerdings klar, dass das nicht gelingen wird. In der ehemaligen Jägerkaserne in Trier-West und in der ehemaligen französischen Wohnsiedlung im Bereich der Burgunderstraße auf dem Petrisberg. werden deshalb derzeit Gebäude saniert, um jeweils mehrere Dutzend Menschen unterzubringen. Ab Oktober sollen sie dafür bereitstehen. In der Jägerkaserne sollen es Zimmer und Wohngemeinschaften werden, die von den Bewohnern jeweils nur für eine Übergangszeit genutzt werden.
Der Umbau sei aufwendiger als vermutet, sagt Sozialdezernentin Angelika Birk, die weiß, dass auch mit diesen beiden Quartieren bei weitem nicht genügend Wohnungen zur Verfügung stehen werden. Bei einem Treffen des Stadtvorstandes mit Vertretern der Wohnungswirtschaft soll deshalb darüber gesprochen werden, ob und wie mehrgeschossiger Mietwohnungsbau in Modulbauweise - ähnlich dem des neuen Studentenwohnheims auf dem Unicampus - in Trier umgesetzt werden könnte. "Das darf kein Schnodderbau werden und muss schnell gehen."
Günstiger Wohnraum in Trier wird durch die neuen Mitbürger also noch knapper. Hinzu kommt der Zuzug von bislang 200 anerkannten Asylbewerbern aus dem Umland, die sich in Trier bessere Chancen bei der Jobsuche versprechen. Sozialdezernentin Birk sieht trotz aller Herausforderungen langfristig Vorteile für die Stadt: "Die Menschen, die nun zu uns kommen, bringen unglaubliche Ressourcen mit."

Extra: Wohnungen gesucht
Die Stadt Trier sucht weiterhin dringend Wohnungen für Flüchtlinge. Die derzeit 50 angemieteten Wohnungen reichen nach Aussage von Bürgermeisterin Birk nicht aus, um die mittlerweile mindestens 850 Menschen im Stadtgebiet unterzubringen, die voraussichtlich noch in diesem Jahr von der Aufnahmeeinrichtung der Stadt zugewiesen werden. Die Stadtverwaltung mietet Wohnungen jeder Größe. Sie zahlt die Miete und haftet als Mieter.

Ansprechpartner: Christian Schnur, Telefon 0651/718-3537
Andrea Schopen, Telefon 0651/718-4589

Städtische Mitarbeiter schauen sich die Wohnungen vor der Anmietung an und sprechen mit dem Vermieter über das weitere Prozedere.

Kommentar

An der Belastungsgrenze

Von Rainer Neubert

Die große Zahl der Flüchtlinge, die in Trier bis zum Jahresende im Stadtgebiet untergebracht werden müssen, bringt die Stadtverwaltung an ihre Belastungsgrenzen. Zwar wurde zusätzliches Personal eingestellt. Das reicht aber bei Weitem nicht aus, um die Dinge so zu regeln, wie es sinnvoll und wichtig wäre. Aber bis weiteres Personal genehmigt und eingestellt ist, werden noch einige Wochen vergehen.

So ist es zwar unbefriedigend, dass Spenden- und Hilfsangebote derzeit unberücksichtigt bleiben müssen. Die Priorität auf die Anmietung und Schaffung von Wohnraum ist aber richtig und wichtig. Denn wie in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist auch in der Stadt Trier das vorrangige Problem, den Menschen ein würdiges Dach über dem Kopf zu geben.

Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob es nicht zu kurzsichtig war, nur eine Stelle für die Koordination der Flüchtlingshilfe zu schaffen. Stadtvorstand und Stadtrat sind in der Verantwortung, unmittelbar nach der zum Glück bald endenden Sommerpause zu handeln. Die Sorge, dass die Aufsichtsbehörde der hoch verschuldeten Stadt die zusätzlichen Ausgaben dafür verwehrt, sollte dabei nicht zu sehr im Vordergrund stehen. Denn auch dort wurde inzwischen erkannt, dass die außergewöhnliche Situation keinen Platz für Bürokratie und Paragrafenreiterei lässt.

Es geht um Menschen, um Kinder, Frauen und Männer, denen geholfen werden muss.

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