Stadtrat lässt die Muskeln spielen

TRIER. Schallende Ohrfeige für die Verwaltung: Erstmals in der 14-jährigen Amtszeit von Oberbürgermeister Helmut Schröer (CDU) hat der Stadtrat am Donnerstagabend einen Nachtragshaushalt abgelehnt. Auslöser war eine Vorlage von Bürgermeister Georg Bernarding (CDU) über nicht geplante Mehrkosten von 242 141 Euro beim Ausbau der Trainingsflächen im Moselstadion.

Dem Verwaltungschef schwant vor der Sitzung etwas. "Es könnte Ärger geben", deutet Schröer an. Der Verlauf des Abends dürfte indes auch den alten Polit-Hasen mächtig überrascht haben. Die Sturmflut kündigt sich mit einer harmlosen Welle an. Monika Thenot (CDU) beurteilt das Werk ihres Parteikollegen Bernarding mit knappen Worten: "Dieser Haushaltsnachtrag ist mehr als unglücklich. Vielleicht hätte der Architekt die Maßnahme vorher besser abschätzen sollen." Thenots moderate Kritik bezieht sich auf ein Papier, das dem Stadtrat mitteilt, die Gesamtkosten für die neuen Trainings- und Spielflächen hinterm Moselstadion hätten sich "durch eine nicht vorhersehbare Entwicklung" erhöht. Grund sei die Entwässerung der Flächen durch den Anschluss ans öffentliche Abwassersystem. Hierzu sei der Bau eines Regenrückhaltebeckens notwendig. Fazit der Vorlage: "Die Stadt Trier gewährt dem SV Eintracht Trier 05 einen weiteren Investitionskostenzuschuss von 208 742 Euro." Lächelnd steigt SPD-Fraktionschef Friedel Jaeger in den Ring: "Ganz so schnell wie Sie", ruft er Monika Thenot zu, "werde ich nicht fertig sein." Und dann fährt der Sozialdemokrat ohne Umschweife schweres Geschütz auf: "Es treibt uns die Zornesröte ins Gesicht, denn diese Vorlage ist eine Mogelpackung und ein haushaltstechnischer Betrug!" Man müsse kein Fachmann sein, um zu erkennen, dass Sportanlagen zu einem Entwässerungs-Problem führten. In diesem Fall sei nicht genügend geplant, untersucht und geprüft worden. Die entsprechenden Informationen hätten schon im Juli vorgelegen. "Das zeigt uns das System Bernarding auf: Erst nicht informieren, dann eine falsche Vorlage vorlegen und schließlich davon ausgehen, dass wir das schon irgendwie schlucken." Auch Hans-Alwin Schmitz von der UBM lässt seine Verärgerung durchblicken. "Ich bin etwas ungehalten, denn hier hat einer seine Hausaufgaben nicht erledigt." Heftige Kritik an "Märchenvorlage"

Der Stadtrat habe sich die Entscheidung zur Bewilligung der 400 000 Euro für das Moselstadion nicht leicht gemacht, jetzt kämen weitere 200 000 hinzu. Schmitz: "Man muss den Mut haben, Fehler offen einzugestehen, und darf keine solche Märchenvorlage auf den Tisch legen." Gerd Dahm (Grüne) reiht sich in die Schar der Kritiker ein: "Der Rat wird erst mit der Sache beschäftigt, wenn die Möbel gekauft sind." Der Gescholtene schüttelt die Vorwürfe ab wie lästige Fliegen. "Ich weise den Vorwurf der Mogelpackung zurück", sagt Georg Bernarding. Im Mai habe der Stadtrat einen entsprechenden Kostenrahmen beschlossen, dieser sei nicht überschritten worden. Erst Ende Juli habe ein Entwässerungs-Antrag vorgelegen, der die Problematik deutlich gemacht habe. Mitten in den Ferien habe es zwei Alternativen für die Verwaltung gegeben, und er habe sich dazu entschieden, zunächst in Mainz zusätzliche Zuschüsse locker zu machen, was ihm auch gelungen sei. Bernarding: "Die jetzige Vorlage entspricht dem Geist des Ratsbeschlusses." Das sieht die Mehrheit des Rates indes anders. Besonders bringt es die Kommunalpolitiker auf die Palme, dass das Regenrückhaltebecken am Stadion bereits gebaut worden ist, obwohl sie nach ihrer Ansicht das Geld dafür nicht bewilligt haben. "In der Tat gibt es dieses Becken schon", räumt OB Schröer auf Nachfrage ein. Vorwürfe müssen sich er und der Sportdezernent auch in Bezug auf die Arena Trier anhören, wo ebenfalls Zusatzkosten (76 668 Euro) für "strukturelle Maßnahmen" wie eine Diebstahlwarnanlage fällig werden. OB Schröer lässt Abstimmung wiederholen

Obwohl sich Schröer heftig bemüht, das Unheil abzuwenden, bricht es schließlich über die Verwaltung herein: Der Stadtrat lässt die Muskeln spielen und lehnt mit der Mehrheit der Koalition aus SPD, UBM und Grünen nicht nur die Vorlage Bernardings zum Moselstadion ab, sondern am Ende der öffentlichen Sitzung sogar den gesamten neunten Nachtragshaushalt, in dessen Rahmen die Maßnahme Moselstadion eingebettet ist. Zweimal lässt Schröer abstimmen, weil beim ersten Mal nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Doch es bleibt dabei: 17 CDU-Mitglieder stimmen zu, 18 Ratsmitglieder lehnen ab, sechs enthalten sich. Fazit des konsternierten Oberbürgermeisters: "Damit sind auch alle bereits zuvor beschlossenen Maßnahmen gekippt." Mehr aus dem Stadtrat auf SEITE 12

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort