Strahlemann mit Schmelz

TRIER. Glockenspiel und Blockflöte, die Instrumente seiner musikalischen Früherziehung, hat er lange bei Seite gelegt. Tom Gäbel ist erwachsen geworden, auch wenn sein Gesicht nach wie vor einen spitzbübischen Schalk zeigt. Lässt er seine Stimmbänder beben, altert der 31-Jährige um Jahre. Satt und voll schwappt der Swing-Sound über die kuschelig-kleine Bühne des Forums, wo er sein Tourprogramm "Introducing: Myself" spielt.

Die Diskokugeln drehen an diesem Abend im Schongang. Der Grund: Der stimmgewaltige Juniormeister des Swings hält Einzug im ehemaligen Franzosenkino. Der legendäre Senior Frank Sinatra wird immer wieder bemüht, um die gesangliche Qualität des gebürtigen Gelsenkircheners zu honorieren. Auch wenn jegliche Blutsverwandtschaft ausgeschlossen ist, stimmlich könnten sie durchaus der gleichen Ahnengalerie entsprungen sein. Bis Gäbel seinen nie verschwinden wollenden Charme des schelmischen Schuljungen ablegt, könnte es allerdings noch einige Jahre dauern.

Butterweich, aber männlich

Veritable Verwandtschaft hat sich dennoch in die Tom-Gäbel-Combo gespielt: Der Saxofonist, der ausschaut, als habe er soeben seine Führerscheinprüfung bestanden, entpuppt sich als Toms jüngerer Bruder Denis. Stehen beide nebeneinander, ist die Ähnlichkeit von Statur und Gesicht frappierend. Denis ist die brünette Ausgabe des Frontmanns, der zu einem soliden Swing-Klangteppich, den ihm seine neun Jungs ausbreiten, die Bühne betritt.

Tom kennt das Prozedere aus dem Effeff. Scherzen, schmunzeln, strahlen und swingen, was das Zeug hält, und alles im gleißenden Spot der Scheinwerfer. Es schaut routiniert aus, manchmal sogar zu antrainiert, vor allem, wenn er die großen Gesten gibt. Vielleicht ist das der Preis, den er seinem sehr jugendlichen Charme zahlen muss, denn so recht scheint der Mann von Welt nicht in sein Sakko zu passen.

Schließt man die Augen, sieht die Sache ganz anders aus. Der Schmelz seiner Stimme dringt butterweich und dennoch männlich in die Magengegend, setzt sich dort fest und sorgt für wohliges Vibrieren. Vergessen ist der traumatisierte Tanzschüler, der bei Damenwahl stets wegen Mangels weiblichen Interesses sitzen bleiben musste. Sofort nimmt man ihm die draufgängerische Seite des "Mr. Bojangles" und "Mack the Knife" ab. Dass er durchaus leidenschaftliche Züge, vor allem in den Händen hat, beweist Gäbel, als er sich als Intro zu "Come Back to Me" ein Schlagzeugduell mit seinem Schlagzeuger Jens Düppe liefert. Auch wenn Tom der bekannte Kopf und die Stimme der Show ist, so wäre er ohne seine Combo gar nichts. Die Bläser Denis, Frank, Markus, Jan, Matthias und Michael liefern ihm nicht nur die klangstarke Untermalung seiner Songs, sondern kommen auch als Backgroundsänger oder als spaßige Sidekicks zum Einsatz.

Dabei offenbart Michael alias "Schnucki" sein Talent für ein Genre, das "uns Nicht-Weicheiern die Möglichkeit gibt, durch die Musik über unsere Gefühle zu sprechen", so Tom Gäbel. In wenigen Takten mutieren die beiden zu einer modernen Kopie der Blues-Brothers - ohne Sonnenbrillen, aber mit viel Stimme.

Etwas weniger würde Tom manchmal gut tun. Keineswegs weniger Stimme, denn davon kann man in seinem Fall kaum genug bekommen. Aber eine Reduzierung seines Witz-Repertoires, das locker unter die Gürtellinie wandert, würde der Show an manchen Stellen gut tun.

Nach zwei Stunden ist der Spaß vorbei. Diesmal sorgt Gäbel für ausnahmsweise ungewollte Lacher: Beinahe verzweifelt drückt er immer wieder die Klinke der Garderobentür. Abgeschlossen - keine Chance, die Bühne zu verlassen. Doch plötzlich tut sie sich auf. Erleichtert schlüpft er in das kleine Kämmerlein, um es kurz darauf wieder zu verlassen. Zwei Zugaben gönnt der Musiker dem Trierer Publikum, bevor er sich höchstpersönlich ins Foyer stellt, um Autogramme zu schreiben und das zu tun, worauf seine Tour - laut eigener Aussage - abzielt: Ton- und Filmträger zu verkaufen.

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