Trier sucht den Dezernenten: SPD wirft CDU und Grünen „Schmierentheater“ vor

Trier · Gesucht wird: eine eierlegende Wollmilchsau. Gegen den Wunsch des Stadtvorstandes hat der Stadtrat die freie Dezernentenstelle erneut mit der vollen Bandbreite der bisherigen Zuständigkeiten ausgeschrieben. Der Kampf um den Posten wird mit harten Bandagen gefochten – wie sich am Dienstag zeigte.

 Hier gestalten: Unter diesem Motto steht der Kommunalwahlkampf der Grünen mit Spitzenkandidatin Petra Kewes. TV-Foto: Friedemann Vetter

Hier gestalten: Unter diesem Motto steht der Kommunalwahlkampf der Grünen mit Spitzenkandidatin Petra Kewes. TV-Foto: Friedemann Vetter

Bis zur letzten Minute haben die Stadtratsfraktionen um den Text der Stellenanzeige gerungen, mit der nach einem Nachfolger für den geschassten Dezernenten Thomas Egger gesucht werden soll . "Ich hoffe, dass die Ratsmitglieder auf die Auswahl des neuen Beigeordneten unter den Bewerbern genauso viel Energie verwenden, wie auf die Formulierung der Stellenausschreibung", mahnte Oberbürgermeister Wolfram Leibe bei der Sitzung des Stadtrates am Dienstagabend.

Dass die Fraktionsspitzen von CDU und Grünen bereits über eine potenzielle Kandidatur von CDU-Stadtrat Thomas Albrecht gesprochen hatten, bevor der Rat dem Stellentext zustimmte, lässt diesen Appell von Rathaus-Chef Leibe in einem anderen Licht erscheinen.

Albrecht hatte am Montag seine mögliche Bewerbung in der Fraktionssitzung bekannt gegeben und das gegenüber dem TV bestätigt . Petra Kewes, Fraktionsvorsitzende der Grünen, zeigte sich anschließend überrascht: "Davon haben wir nichts gewusst, da kann ich spontan nichts zu sagen, das müssen wir jetzt erst in der Fraktion besprechen", ließ sie sich vom TV zitieren. Dabei sind die Grünen Bündnispartner der CDU im Stadtrat. Kewes Behauptung, sie habe Albrechts Absichten nicht gekannt, ließ dessen Vorstoß daher umso mehr wie einen Alleingang aussehen.

Selbstverständlich habe er das Gespräch mit dem Bündnispartner gesucht, erklärte Albrecht am Dienstag im Gespräch mit dem TV. Grünen-Chefin Kewes beharrte da immer noch darauf, einen solchen Austausch habe es nie gegeben - und räumte erst später ihre Lüge ein. Albrecht habe vorige Woche um Vertraulichkeit gebeten, sie habe gedacht, diese gelte auch über die öffentliche Bestätigung seiner Ambitionen hinaus, erklärte Kewes.

Würden CDU und Grüne Albrecht unterstützen, hätte er den Dezernentenjob so gut wie sicher - das von Schwarz-Grün nach der Kommunalwahl gegründete "Verantwortungsbündnis" hat mit 29 von 54 Stimmen die Mehrheit im Stadtrat.

SPD-Chef Teuber interpretierte die Fehlinformation der Öffentlichkeit durch die Grünen als Schmierentheater. "Beim Mehrheitsbündnis gibt es bereits Kandidatenabsprachen, der Öffentlichkeit und uns will Schwarz-Grün dagegen ein transparentes Bewerber- und Auswahlverfahren vorspielen", schimpfte Teuber.

Dass Schwarz-Grün den langjährigen Stadtrat und Oberstaatsanwalt Albrecht tatsächlich unterstützen würde, ist allerdings offenbar noch nicht sicher. CDU-Chef Udo Köhler wich entsprechenden Nachfragen des TV jedenfalls aus. "Wir legen uns noch nicht fest, da wir erst sehen wollen, wer sich alles bewirbt." Dass die CDU bereits Sondierungsgespräche geführt hat mit anderen potenziellen Bewerbern, räumte Köhler ein. Albrecht sei darunter allerdings nicht gewesen, er habe die Sache aus eigener Initiative angestoßen.

Beim Anzeigentext zeigte der Stadtrat Einigkeit: Mit 42 Ja- zu sieben Nein-Stimmen (vier von der Unabhängigen Bürgervertretung Trier UBT, zwei von der Linken, eine aus der CDU) beschloss der Rat, die Dezernentenstelle breit auszuschreiben - also mit voller Zuständigkeit für Kultur, Tourismus, Recht, Sicherheit und Ordnung. Au Vorschlag der SPD war der Ausschreibungstext noch am Dienstagnachmittag minimal geändert worden: Statt eines Jura- oder BWL-Studiums wird nur noch ein "abgeschlossenes Hochschulstudium" verlangt. Die Anzeige soll schnellstmöglich geschaltet werden.

MeinungAlleskönner gesucht

 Von Kultur über Recht und Ordnung bis zum Tourismus: Der künftige Dezernent der Stadt Trier wird ein breites Aufgabenfeld haben. TV-Foto: Christiane Wolff

Von Kultur über Recht und Ordnung bis zum Tourismus: Der künftige Dezernent der Stadt Trier wird ein breites Aufgabenfeld haben. TV-Foto: Christiane Wolff

Von Christiane Wolff

Nicht Fleisch, nicht Fisch: Nach dem Tauziehen unter den Fraktionen ist eine Stellenbeschreibung übrig geblieben, die nach einem Generalisten verlangt, der von Kultur bis Ordnungsamt alles kann. Wer soll sich bewerben? Profilierte Spezialisten fühlen sich sicherlich nicht angesprochen.
CDU-Stadtrat Albrecht scheint sich die Sache zuzutrauen. Tatsächlich kennt er die Trierer Theaterprobleme in- und auswendig. Als Abteilungsleiter hat er Führungserfahrung. Chef von 700 statt gut zwei Dutzend Mitarbeitern zu sein und ein Riesenbudget zu verantworten, ist allerdings noch einmal eine ganz andere Hausnummer.
Ohne Rückhalt zumindest seiner eigenen Partei hätte Albrecht keine Chance. Wenigstens die CDU muss daher schnell einen klaren Weg einschlagen. Für den Mut, seinen Hut in den Ring zu werfen, verdient der langjährige engagierte Kommunalpolitiker Ehrlichkeit und Transparenz seitens der Parteifreunde.
<strong>c.wolff@volksfreund.de

Extra
Wird Thomas Albrecht tatsächlich Dezernent, würde seine Amtszeit im April 2024 enden - ein knappes Jahr vor Ablauf der Wahlperiode von acht Jahren im März 2025. Denn Wahlbeamte müssen sich spätestens am 68. Geburtstag in den Ruhestand verabschieden, und eben diesen feiert Albrecht am 16. April 2024. Seiner Wahl steht sein Alter allerdings nicht im Weg: Zum hauptamtlichen Beigeordneten werden kann laut Gemeindeordnung, wer das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der ehemalige Oberbürgermeister von Idar-Oberstein hatte gegen diese Bestimmung geklagt. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte allerdings die Regelung: Bei Erreichen eines gewissen Alters lasse die Leistungsfähigkeit im Allgemeinen nach. Die Altersgrenze diene der Gewährleistung einer effektiven Amtsausübung.

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