Trierer Flüchtlingsprojekt beunruhigt Menschen

Trier · Die Ereignisse in Köln verändern auch in Trier die Stimmung, wenn es um Flüchtlinge geht. Das hat sich bei einer Informationsveranstaltung in Tarforst gezeigt, zu der 300 Bürger kamen. Deutlicher als jemals zuvor wurden Bedenken und Angst in Worte gefasst.

 Riesiges Interesse: Die Sitzplätze reichen am Dienstagabend in der Grundschule Tarforst nicht für alle, die mehr zum Baugebiet Ober der Herrenwiese erfahren wollten.

Riesiges Interesse: Die Sitzplätze reichen am Dienstagabend in der Grundschule Tarforst nicht für alle, die mehr zum Baugebiet Ober der Herrenwiese erfahren wollten.

Foto: Rainer Neubert

In jeder Woche muss Trier derzeit Wohnraum für 50 neue Asylbewerber bereitstellen. Die Menschen werden der Stadt nach acht Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung zugewiesen und haben hier eine Wohnsitzpflicht, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Um die Migranten unterzubringen, plant die Stadtverwaltung unter anderem den Bau von voraussichtlich drei Mehrfamilienhäusern auf einem 5000 Quadratmeter großen Areal am östlichen Ende des Neubaugebiets Ober der Herrenwiese (BU 14) auf dem Tarforster Plateau. Die Informationsveranstaltung dazu und zu dem Baugebiet allgemein, mit dessen Vermarktung voraussichtlich Ende Juni begonnen wird, sind am Dienstagabend 300 Menschen gekommen, die in zahlreichen Fragen und Redebeiträgen auch ihre Angst und Sorgen formulierten.

Kita und Hallendach: Die Stimmung in der rappelvollen Turnhalle der Grundschule war angespannt, zumal die Verschiebung des Kita-Neubaus und das Dilemma um das marode Dach der erst wenige Jahre alten Schule in den vergangenen Wochen den Zorn vieler Bürger der Höhenstadtteile auf die Stadtverwaltung gelenkt hatte. Die Versicherung von Baudezernent Andreas Ludwig, Dachsanierung und Kita-Neubau würden so schnell wie möglich erledigt, erntete unsachliche Zwischenrufe. Erst als Bürgermeisterin Angelika Birk ihrem Kollegen ungewohnt lautstark und deutlich zu Seite sprang, konnte mit dem eigentlichen Thema begonnen werden.

Projekt BU 14: Mit Ralf Arthkamp (Bodenmanagement), Hans-Werner Meyer (Soziales und Wohnen), Frank Simons (Gebäudewirtschaft) und Iris Wiemann-Enkler (Stadtplanung) hatten die beiden Dezernenten vier Amtsleiter mitgebracht, um wirklich alle Details erklären zu können. In dem neuen, knapp acht Hektar großen Baugebiet, für das ein Quadratmeterpreis von etwa 260 Euro erwartet wird, werden demnach 250 Wohneinheiten entstehen. Ebenso wie im benachbarten BU?13 sind vor allem Einzel- und Zweifamilienhäuser sowie sogenannte Kettenhäuser geplant. Dabei wechseln sich Häuser und Garagen in einer Reihe ab. Mit der Ausschreibung der Grundstücke soll laut Baudezernent Ludwig Ende Juni begonnen werden. Die ersten Bagger könnten dann im Herbst rollen.
Auf einem 5000 Meter großen Areal an der Karl-Carstens-Straße (siehe Bild unten) will die Stadt selbst als Bauherr 42 bis 50 Sozialwohnungen unterschiedlicher Größe bauen. Hier sollen Flüchtlinge unterkommen, deren Asylverfahren bereits abgeschlossen ist. Geplant sind zwei- und dreigeschossige Gebäude aus Holzmodulen, die schnell errichtet werden können und dennoch den Vorgaben entsprechen, die für private Bauherren in dem Gebiet gelten. Lediglich auf eine Tiefgarage soll verzichtet werden. Die Fertigstellung der Gebäude ist für Ende 2016/Anfang 2017 geplant (siehe Extra). Insgesamt sollen in den Baugebieten BU?13/BU?14 am Ende 1900 Menschen in 830 Häusern und Wohnungen leben. Etwa 200 von ihnen könnten Flüchtlinge sein.

Angst und Sorgen: Warum so viele Flüchtlinge? Warum ausgerechnet hier? Diese Fragen standen im Mittelpunkt vieler Wortmeldungen aus dem Plenum an diesem Abend. "Ich will nicht, dass hier eine kleines Neukölln entsteht", äußerte eine Frau, den Tränen nahe, ihre Angst und Sorgen vor Übergriffen und Gewalt.
Dem Vorwurf, es werde bewusst ein Getto geschaffen, widersprachen nicht nur die Dezernenten und Amtsleiter ("Wir wollen eine soziale Mischung von Menschen dort"). Im Laufe der gut zweistündigen Veranstaltungen griffen auch immer mehr Bürger zum Mikrofon, die ihr Entsetzen über die Vorurteile einiger Vorredner zum Ausdruck brachten. Nicht wenige Gäste verließen die Veranstaltung - aufgebracht oder nachdenklich - vor ihrem offiziellen Ende, das durch den Beitrag von Ana Maria Schmitt einen fast versöhnlichen Abschluss fand. Die promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität war vor 24 Jahren selbst als Flüchtling aus Venezuela nach Trier gekommen: "Es war nicht immer leicht für mich, aber ich fühle mich integriert. Wir sollten zusammenhalten und den Leuten eine Chance geben."

Flüchtlinge in Trier: Die Stadt Trier hat im vergangenen Jahr für 720 Flüchtlinge aus 23 Ländern Wohnraum zur Verfügung gestellt. Etwa 500 leben in Mietwohnungen, 104 in der Jägerkaserne (Trier-West), 20 in der ehemaligen Geschwister-Scholl-Schule (Trier-Nord). 100 Flüchtlinge haben sich selbst eine Wohnung gesucht. Besonders viele Asylbewerber leben in Kürenz (140/Burgunderviertel), Trier-West (160) und Trier-Ehrang (110). In Tarforst, Filsch und Irsch wohnen derzeit insgesamt sieben Flüchtlinge.

Kommentar:

Keine Integration ohne Begegnung

Von Rainer Neubert

Es gibt Städte, in denen Flüchtlinge bewusst schlecht untergebracht werden, damit sie möglichst rasch weiterziehen. Sollen sich doch die anderen mit den Fremden herumschlagen … Für Trier ist das keine Option. Weder Zelte noch Hallen sind für die Unterbringung der Menschen vorgesehen. Allerdings lässt sich auch das Ideal der individuellen Unterbringung in über das Stadtgebiet verteilte Mietwohnungen nur ansatzweise realisieren. Dafür gibt es nicht genug Wohnungen.

Wenn die Stadt nun notgedrungen abwägt, wo kleinere zentrale Standorte sinnvoll sind, dann achtet sie auf eine gute Infrastruktur im Umfeld. Denn in Gewerbegebieten oder auf der grünen Wiese, ohne Kontakt zu den Einheimischen, wäre eine Gettobildung kaum zu verhindern. Dann könnte das passieren, was Kritiker vorhersagen.
Die Angst der Menschen muss ernst genommen werden. Die Begegnungen mit den neuen Nachbarn werden verhindern, dass aus Befürchtungen unverrückbare Vorurteile werden.

r.neubert@volksfreund.de

Extra:

Der in der Bürgerversammlung vorgestellte erste Entwurf für die neuen Gebäude wird am 20. Januar im Bauausschuss der Stadt Trier diskutiert. Es folgt die Besprechung in den Ortsbeiräten Filsch (Termin noch offen) und Tarforst (28. Januar). Der Stadtrat Trier entscheidet dann am 2. Februar über das Projekt. Bei positivem Votum soll die Detailplanung zügig erfolgen. Ende 2016/Anfang 2017 könnten die ersten Wohnungen bezugsfertig sein.

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