Ungewissheit als ständiger Begleiter: Nach drei Monaten in Trier hofft Familie aus dem Kosovo, in Frankenthal bleiben zu dürfen

Trier/Bitburg · Als sich Ausgrenzung und Bedrohungen häuften, entschlossen sich die Arifis, aus dem Kosovo zu flüchten. Anfangs kamen sie in der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) unter, dann ging es über Bitburg nach Frankenthal. Noch hofft die Familie, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Doch sie weiß, dass die Chancen für Menschen vom Balkan denkbar gering sind.

Ungewissheit als ständiger Begleiter: Nach drei Monaten in Trier hofft Familie aus dem Kosovo, in Frankenthal bleiben zu dürfen
Foto: (h_st )

Trier/Bitburg. Enis Arifi läuft zurück ins Zelt und holt eine flauschige Decke. Der Reporter soll nicht auf der Wiese sitzen, sagt seine Mutter. Wenig später sitzt man unter schattenspendenden Bäumen unweit des Bitburger Flugplatzes. Einige Tage sind die Arifis hier untergebracht, in einer weiteren Außenstelle der AfA Trier. Auf der Decke hat auch Mevlide Platz genommen. Die Achtjährige spricht schon einige Wörter Deutsch. "Wie geht es dir?", fragt sie, "wie heißt du?" Ihr Vater übersetzt die Antworten und auch die Fragen des Journalisten: Wie es ihr in Deutschland gefalle? "Sehr", sagt das Mädchen, "Sicherheit" ergänzt sie, und ein kurzes Lächeln huscht ihr übers Gesicht. Bekim Arifi beginnt nun zu erzählen von dem Leben, das seine Familie im Kosovo führte.
Ende 2000 lernt er seine heutige Frau kennen. Weil Bekim einer muslimischen Familie entstammt, Giylie aber Christin ist, sind Konflikte programmiert. Seine Eltern wollen nicht, dass er sie heiratet, ihre Eltern wollen nicht, dass sie ihn heiratet. Sie heiraten trotzdem. 2004 wird Enis geboren, 2007 folgen die Zwillinge Mevlide und Marigona. Der Vater arbeitet für eine Baufirma. "Wir haben nicht schlecht gelebt, wir hatten nicht viel, aber es reichte", sagt er. "Eigentlich wären wir gerne im Kosovo geblieben."
Doch als sein Sohn in die Schule kommt, hätten sich die Anfeindungen gehäuft. Er sei kein richtiger Muslim, habe der Junge auf Straße und Schulhof zu hören bekommen; und warum denn sein Vater nicht für Allah kämpfe? Seine Frau habe sich rechtfertigen müssen, dass sie kein Kopftuch trägt. "Ich werde in 1000 Jahren nicht verstehen, was das soll", sagt Bekim Arifi und schüttelt den Kopf. Als er erkennt, dass selbst Lehrer über seine Kinder abfällig reden und Gleichaltrige nicht mehr mit ihnen spielen wollen, wird es ihm und seiner Frau zu viel.
Sie beschließen zu flüchten: über Serbien nach Ungarn, von dort über Österreich in die Bundesrepublik. Deutschland hat Bekim Arifi in guter Erinnerung, hier lebte er schon einmal sieben Jahre lang, Anfang 2000 musste er zurück in den Kosovo. "Ich hatte wirklich gehofft, dass es nach dem Krieg besser wird."
Anfangs kamen die Arifis in der Trierer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende unter, zunächst im Norden, dann im Westen der Stadt. Der Vater, der gut deutsch spricht, betätigte sich häufiger als Dolmetscher. "Ich war froh, etwas tun zu können", sagt er, "das hat mir Kraft gegeben." Für seine Kinder sei es anfangs sehr schlimm gewesen. "Sie hatten oft Angst, vor allem wegen der vielen unbekannten Menschen", berichtet der Vater und sagt, nur halb im Scherz und mit feuchten Augen: "Ich hoffe, sie werden mir das später einmal verzeihen."
Bekim Arifi weiß um die geringen Chancen für Menschen aus dem Kosovo, hier bleiben zu können: "Ständig hören wir, dass weniger als ein Prozent der Leute vom Balkan anerkannt werden." Vielleicht hätten sie Glück, zu den wenigen zu gehören. Doch mit jedem Tag sinken die Chancen, häufen sich Forderungen, das Land zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären. Dass die Familie sich dort alles andere als sicher fühlte, wäre dann kaum mehr von Belang. "Ich will kein Geld! Ich hoffe nur, meinen Kindern eine Zukunft aufbauen zu können", sagt der Vater.Am Montag geht es in die Schule


Eine Woche mussten die Arifis noch in einem Zelt auf dem Bitburger Flugplatz ausharren, dann ging es in den Transfer nach Frankenthal (Pfalz). Dort leben die fünf in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Ab Montag, 7. September, dürfen die Kinder eine Schule besuchen. Doch noch ist offen, ob sie in Deutschland bleiben dürfen. Die Ungewissheit bleibt ein ständiger Begleiter.
Vielleicht wird Trier für die Familie später nur mehr eine Fußnote auf ihrem turbulenten Lebensweg sein. Gut möglich aber auch, dass sie sich an die Moselstadt erinnern wird als einen Ort, an dem sie sich erstmals seit vielen Jahren aufgenommen und sicher fühlen konnte. Bekim Arifi lobt die Mitarbeiter der AfA, vor allem die Sozialarbeiter der Caritas. "Das waren wunderbare Leute, die haben wirklich jedem geholfen." Seine Stimme wird brüchig: "Ich weiß nicht, wie ich ihnen für all das danken kann!"

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