Unterwegs auf der närrischen Achterbahn

TRIER. Einmal Prinz sein im Karneval - für echte Jecken ein Traum, für weniger närrisch Veranlagte eher ein Albtraum. Ein Stress-Job ist es allemal, wie unser "Protokoll" eines Arbeitstags des Trierer Prinzenpaars dokumentiert.

 Auch Majestäten müssen Handarbeit verrichten: das Trierer Prinzenpaar mit Chefplaner Thomas Probson.Foto: Vetter

Auch Majestäten müssen Handarbeit verrichten: das Trierer Prinzenpaar mit Chefplaner Thomas Probson.Foto: Vetter

"Ihrseid doch Prinzen, wo ist denn Euer Schloss?" Die kleine Janinestellt ihre Frage mit jener fröhlichen Treuherzigkeit, die nurVierjährige ausstrahlen können. Die Begegnung mit ihr imKinderheim Ruländer Hof ist flüchtig, wie die meisten Kontakte imtermingespickten Programm von Christoph Heinemann und CarmenMetzdorf. Aber sie bleibt haften, wie viele der Eindrücke, diedas Prinzenpaar bei 250 Visiten zwischen Schweich und Konz,Waldrach und Trier gesammelt hat. Seit fünf Wochen ist das Majestäten-Dasein die Hauptbeschäftigung im Leben des selbstständigen Kaufmanns und der Industriekauffrau-Auszubildenden. Am 11. Januar ist Carmen aus Wasserliesch ins Dorint-Hotel umgezogen und mit ihr der kleine Hofstaat: Adjutant Thomas Probson, Hofdame Monika Bresselschmidt und Fahrer Jürgen Klein. Der Trierer Heinemann, 36, wohnt weiter zu Hause, "damit meine Tochter nicht vergisst, wie ich aussehe".

Zwei Stunden für die Montur

Viel bekommt sie aber von ihrem Papa derzeit nicht zu sehen. Der Prinzen-Alltag beginnt mit einem gemeinsamen Hotel-Frühstück gegen halb neun. Carmen Metzdorf, die 19-Jährige, hat zu diesem Zeitpunkt schon eine fast zweistündige Verwandlung in "Ihre Lieblichkeit, Prinzessin Carmen I. vom Verkehrsverbund" hinter sich.

Auch für die Helfer-Crew hat der Tag, an dem wir den Tross begleiten wollen, schon früh begonnen. Gummibärchen einpacken, Präsentvorräte auffüllen, Orden zurechtlegen - es gibt endlos viel zu tun.

"Prinz, steigst Du bitte ein": Man redet sich mit Titel und "Du" an, kurios für Außenstehende. Acht Termine hat Thomas Probson für heute eingetragen - guter Durchschnitt. Man wird 13 Stunden unterwegs sein. 90 Minuten Luft sind nachmittags eingeplant. "Gefechtspause" nennt Ex-Soldat Probson die Auszeit in seinem generalstabsmäßigen Plan. Er nimmt auf dem Beifahrersitz Platz, sein Handy geht in Dauerbetrieb.

Derweil stapeln sich lose Unterlagen auf dem Armaturenbrett. Keine Ahnung, wie Chauffeur Jürgen Klein es fertigbringt, dass sie nicht runterfallen. Der JVA-Angestellte steuert die Prinzenkarosse mit der Ruhe eines "Eisernen Gustav".

Auch er residiert seit fünf Wochen im Hotel, hängt wie alle hier den Jahresurlaub an sein Hobby. Die Familie? "Die sind hoch begeistert". Klingt da Ironie durch? Am Nachmittag, als er seine Ehefrau samt Hund Bonny trifft, wirkt die familiäre Stimmung entspannt. Allerdings findet das Treffen an einer Ampel statt, Frau Klein wartet zufälligerweise nebenan auf Grün. Familienzusammenführung der ganz eigenen Art.

Auch Carmen Metzdorf sieht ihre Familie und ihren Freund nur noch sporadisch. Neuerdings engagiert er sich bei der Stadtgarde - auch eine Art, der Lebensgefährtin nahe zu sein. Christoph trifft Töchterchen Lena beim Besuch im Kindergarten an der Basilika, der ersten Station des Tages. 30 kleine Elfen, Bienen und Zauberer warten im geschmückten Gruppenraum.

Eine eilige Zigarette zwischendurch

Das Prinzenpaar, um Augenhöhe mit den Kindern bemüht, verteilt Autogrammkarten. "Habt ihr da Hochzeit gemacht?", fragt Leander (5) beim Betrachten des Fotos. Ein anderer richtet Grüße aus "von meinem Papa, dem Ali". Es wird gesungen, Leander darf die Prinzenkappe mit den langen Federn probieren.

Dann schaut Thomas Probson auf die Uhr - die nächste Station wartet, das Polizeirevier in Schweich. Hastig zieht sich der Prinz hinter dem Auto eine Kippe rein, eigentlich wollte er die Kampagne nutzen, um sich das Laster abzugewöhnen, aber... Hoheit ist eben auch nur ein Mensch.

Auf dem Revier rauscht schon der Narhalla-Marsch, abgespielt auf einem stilechten Grammophon. Häppchen werden gereicht - der inzwischen um diverse Repräsentanten der Karnevalszünfte angewachsene Hofstaat weiß das zu würdigen. Die Majestäten greifen nur zögerlich zu, kommen doch weitere sechs Versorgungsstationen auf sie zu. Dafür lassen sie sich mit Begeisterung Fingerabdrücke und Konterfeis für die Verbrecherkartei abnehmen. Die Prinzessin wird mit Blaulicht und Martinshorn über den Hof kutschiert, und einen Moment lang blitzt hinter Schminke und Montur ein fröhlicher Teenager hervor.

Noch schnell werden Orden verteilt, Nummer 800 bis 805. "Mindestens 600 davon an Männer", rechnet Carmen, macht 1200 Küsschen für sie. Das bedeutet permanente Ansteckungsgefahr in Erkältungszeiten wie diesen. Aber Prinzen können sich keine Krankheit erlauben. Bisweilen wird auf der Rückbank stereo gehustet, mehr ist nicht drin: "Notfalls müssen die dicken Antibiotika-Hämmer ran".

Bei MM-Packaging, der Großdruckerei neben JTI, wartet der nächste Empfang. Musik wird hier live geblasen, das Büffet ist edel, die Delegation (deshalb?) inzwischen um eine Abordnung der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval erweitert. Der MMP-Geschäftsführer, landsmannschaftlich kein geborener Karnevalist, hat eigens eine bunte Krawatte umgebunden.

Nach den gebackenen Scampi an Rucola und dem obligatorischen Rundgang geht es über die Geschäftsstelle des Einzelhandelsverbandes zum Kontrastprogramm: In den Räumen der "Tafel", einer Organisation, die Hilfsbedürftige mit Lebensmitteln versorgt, machen die ehrenamtlichen Helfer Stimmung wie beim Rosenmontagszug. Vor der Tür warten drei Frauen mit großen Tüten. Was hier übrig bleibt, wird sicher sinnvolle Verwendung finden.

Aufnahmebereit für neue Eindrücke

Die Tagestour des Prinzenpaares gleicht einer Achterbahnfahrt durch Höhen und Tiefen, durch Milieus, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Für die Kinder vom Ruländer Hof, nicht gerade gehätschelt vom Leben, gehört der Besuch zu den ganz großen Ereignissen, beim Empfang im TV -Verlagshaus geht es eher routinemäßig zu.

Aber Prinz und Prinzessin strahlen, egal in welchem Ambiente, ungekünstelte gute Laune und Aufnahmebereitschaft für neue Eindrücke aus. Es scheint Spaß zu machen, auch in der Schlussphase - keine Selbstverständlichkeit bei karnevalistischen Herrscherpaaren. Ob es daran liegt, dass diesmal kein Ehepaar amtiert? Christoph Heinemann schmunzelt, will es aber nicht ausschließen.

Fast schon etwas Idyllisches hat der abendliche Schmankerl-Termin: Dinner im Klein-Florenz, im familiären Umfeld, quasi halb-offiziell. Prinzentochter Lena, knapp drei, stimmt das Lied vom "Prinz im Karneval" an, der sie so gern mal wäre. "Na wart mal ab, in 20 Jahren", sagt ihre Mutter Marlene. Da kann Papas Beispiel wohl nicht so abschreckend gewirkt haben.

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