Update: Unbekannte schänden dutzende Gräber auf dem Trierer Hauptfriedhof

Trier. · Unbekannte haben in der Nacht zum Mittwoch 28 Grabsteine und vier Stelen auf dem Hauptfriedhof mit Farbe besprüht. Franz Kalck, der Leiter des Grünflächenamts, schätzt die Reparaturkosten auf mindestens 1000 Euro pro Grabstein: „Ich habe noch nie einen so schlimmen Fall von Vandalismus auf einem Trierer Friedhof erlebt.“

 Rote Farbe auf Grabsteinen: Über ein Dutzend Gräber sind auf dem Trierer Hauptfriedhof geschändet worden.

Rote Farbe auf Grabsteinen: Über ein Dutzend Gräber sind auf dem Trierer Hauptfriedhof geschändet worden.

Foto: Stadt Trier


Als Mitarbeiter des Trierer Grünflächenamts am Mittwochmorgen gegen 7.30 Uhr die Tore zum Hauptfriedhof aufschließen, sehen sie den angerichteten Schaden sofort. Scheinbar wahllos und willkürlich haben Unbekannte in der Nacht 28 private Grabsteine mit Sprühfarbe verunstaltet und dadurch schwer beschädigt. Dazu kommen vier Stelen auf einem Bestattungsfeld der Stadt Trier im Bereich der Baum- und Urnengräber.

In den meisten Fällen haben die Täter rote Farbe benutzt, einzelne Gräber sind mit einem blau-grauen Gemisch besprüht. Weder die Auswahl der verunstalteten Gräber noch die aufgesprühten Striche und Motive ergeben einen erkennbaren Sinn oder Zusammenhang. Manchmal haben die Täter einen einfachen Strich aufgesprüht, wenige Meter weiter haben sie einen kompletten Grabstein neu gefärbt oder den Namen des Verstorbenen unkenntlich gemacht.
Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung überprüfen alle Grabstätten, erstellen eine Liste der beschädigten Steine und übergeben diese der Polizei, die sofort die Ermittlungen aufnimmt und auch die Verantwortung dafür trägt, die Angehörigen zu informieren. Diese müssen dann Anzeige erstatten und können die Täter zivilrechtlich auf Schadenersatz verklagen - wenn sie gefunden werden.

"Die Farbe geht nicht weg", sagt Franz Kalck. Der Leiter des Grünflächenamts sieht sich die Lage vor Ort an, gemeinsam mit dem Trierer Baudezernenten Andreas Ludwig. "Sie ist in den Stein eingezogen." Nur ein Steinmetz könne diesen Schaden beheben. "Das ist ein Riesenaufwand. Die Kosten liegen bei 1000 Euro oder mehr pro Grabstein."

Diese Summe müssen die Hinterbliebenen selbst zahlen, wenn sie keine spezielle Versicherung gegen Vandalismusschäden besitzen. "Eine solche Versicherung haben wohl nur die wenigsten Angehörigen", sagt Baudezernent Ludwig, der sehr erschüttert wirkt. "Wer denkt denn daran, dass die Grabstätte eines geliebten Menschen derart sinnlos und brutal zerstört werden könnte? Das ist ein Verbrechen, eine Schande, eine schlimme Sünde."

Karin B. gehört zu den Betroffenen. Sie bemerkt entsetzt die Beschädigung am Grab ihres Mannes, als sie am Mittwochmorgen den Hauptfriedhof besucht. "Ich werde einen Steinmetz beauftragen, die Farbe zu entfernen", sagt sie. "Das darf nicht so bleiben."

Der Friedhof ist von sieben bis 21 Uhr geöffnet. "Es ist kein Problem, in den Nachtstunden hier reinzukommen", sagt Amtsleiter Kalck. Natürlich könne die Stadt das Areal intensiver sichern. "Aber wollen wir wirklich eine Ruhestätte mit Stacheldraht und Überwachungskameras?", fragt Dezernent Ludwig.

Wer hat beim Hauptfriedhof Verdächtiges beobachtet? Möglicherweise Menschen, die in der Nacht zum Mittwoch über die Mauer geklettert sind? Hinweise an die Polizeiinspektion Trier, Telefon 0651/9779-3200.

Der Kommentar: Die letzte Hemmschwelle fällt

Von Jörg Pistorius

Sinnlose Zerstörungswut ist kein neues Problem. Bushaltestellen, Parkanlagen, Spielplätze, Schaufenster - immer mal wieder missbrauchen einzelne Täter den öffentlichen Raum als Zone zum Abreagieren. Welthass, Selbsthass, Alkohol, Drogen oder fehlgeleiteter jugendlicher Übermut stecken oft dahinter. Doch in der Nacht zum Mittwoch fiel in Trier eine der letzten noch existierenden Hemmschwellen.

Denn Friedhöfe sind besondere Orte, gläubigen Menschen sind sie heilig. Der Friedhof ist der finale Bezugspunkt zu einem geliebten Verstorbenen. Die Pflege seines Grabs ist eine letzte Geste, die für einen Hinterbliebenen ein enormes seelisches Gewicht hat.

Deshalb haben die Täter hier viel mehr angerichtet als hohe materielle Schäden. Sie haben die Ruhestätten geschändet und vielen Hinterbliebenen großes Leid zugefügt. Das wird eine Rolle spielen, wenn die Polizei sie gefunden hat.
j.pistorius@volksfreund.de

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