"Wir bleiben zusammen"

KÜRENZ. Ende 1997 sollte die Siedlung in der Riverisstraße aufgelöst werden. Die meisten Bewohner sind weggezogen, doch eine Großfamilie wartet immer noch darauf, dass die Stadt ihr Versprechen eines "sozialverträglichen Umzugs" einlöst.

In die Straße Am Grüneberg hinein, vorbei an den letzten Häuserreihen und der grauen Betonbrücke über die Schienen, eine leichte Rechtskurve, Böschungen, links die gelb-orangen Bauten der Firma Ehm mit hell leuchtenden Fenstern. Dunkle Häuserblocks stehen an der anderen Straßenseite, die Parkplätze sind leer. Ein paar Jugendliche stehen scherzend zusammen, aus ihrem Radio klingt Popmusik. Unter einer blauen Gummiplane liegen ordentlich gestapelt Holzscheite, denn eine Heizung gibt es nicht in der Riverissiedlung. Vor sechs Jahren lebten in den sechs 60er-Jahre-Wohnblocks noch über 160 Menschen. Doch im Juni 1997 beschließt die Stadt, die Siedlung wegen der maroden Baustruktur aufzulösen. Mit den Bewohnern wird über eine neue Siedlung an anderer Stelle gesprochen, die Stadt will die Siedlungs-Gemeinschaft nicht auseinander reißen. Doch ein passender Bauplatz oder geeignete zusammenhängende Wohnungen - etwa in Konversionsgebäuden - werden nicht gefunden. Im Herbst 1997 gibt die Stadt ihr Vorhaben auf, die über Jahre gewachsene Gemeinschaft zu erhalten, und entscheidet in einem von Grünen und UBM abgelehnten Ratsbeschluss, "die Bewohner innerhalb des Stadtgebietes mit adäquatem Wohnraum zu versorgen". Die Träume von schönen Neubauten platzen, die Riveris-Bewohner sind bitter enttäuscht. Die Stadt übt Druck aus, die meisten Familien geben nach und ziehen um. Fast alle Wohnungen in den sechs Häuserblocks stehen mittlerweile leer. Aber eine Sinti-Großfamilie ist standhaft, will nicht so einfach aufgeben. "Wir würden umziehen, hätten wir die Möglichkeit, woanders ebenfalls zusammen und mit dem nötigen Platz zu wohnen", sagt der Älteste - und damit der Sprecher - der etwa 40-köpfigen Familie, die, verteilt auf neun Wohnungen, noch in der Siedlung wohnt. "Und das hat die Stadt uns damals versprochen, sonst hätten wir uns mit unserer Bürger-Initiative gar nicht erst für eine Umsiedlung ausgesprochen", erklärt der Familien-Älteste ruhig. Mit seiner Mutter, seiner Großtante, seinen Cousins und Cousinen, Kindern und Kindeskindern sitzt er im Esszimmer zusammen. Neben der Tür bollert der Holzofen, auf dem kleinen Tisch vor dem blauen Sofa liegt eine Spitzendecke. Die Wohnung ist gepflegt - von Baumängeln, maroden Fenstern, feuchten Wänden oder anderen Missständen ist nichts zu sehen. "Wir wohnen sehr gerne hier", sagt der Familienoberste. "Anfallende Reparaturen übernehmen wir", erklärt Robert Schmidt, das zweite Oberhaupt der Familie. Auch er hatte von der Stadt das Angebot, nach Mariahof oder Trier-West zu ziehen. Doch dass er getrennt von seinen Verwandten lebt, kommt für ihn ebenfalls nicht in Frage. "Das ist bei uns nun einmal so", sagt er, "wir kennen auch kein Altenheim, wir bleiben für immer zusammen". Ortsvorsteher Manfred Maximini versteht das Anliegen der Familie. "Es musste damals zwar etwas passieren, weil eine weitere Sanierung der Häuser sich nicht mehr gelohnt hätte", sagt er und fährt erregt fort: "Aber was dann passiert ist, zeugt von totaler Fehlplanung der Sozialpolitik." Eine Lösung hat Maximini nicht parat. "Zur Zeit gibt es keinen geeigneten Wohnraum, in dem die ganze Familie unterkommen könnte", sagt er und schiebt der Stadt den schwarzen Peter zu: "Aber wenn die Stadt die Auflösung eines Stadtteils beschließt, dann muss sie auch für eine sozialverträgliche Lösung sorgen." Von Versprechungen, die Familien-Bande nicht zu zerstören, will Sozialdezernent Georg Bernarding nichts wissen. "Wir haben zwar Neubauten angestrebt, aber nichts versprochen", sagt er. Mehrfach habe die Stadt der Familie alternative Wohnräume angeboten, auch zusammenhängende, aber davon habe die Familie nichts wissen wollen. "Rausklagen wollen wir die Bewohner nicht. Erstmal wird wohl alles so weiterlaufen, auch wenn mittelfristig ein Schlussstrich gezogen werden muss und die Leute umziehen werden müssen", sagt Bernarding. Investiert wird in die Anlage jedenfalls kein Euro mehr - vielleicht zwingen daher bald zerfallende Sozialwohnungen die Stadt, ihren Beschluss von 1997 umzusetzen. Morgen in "Kürenz - ganz nah": TV -Ortsgespräch: Was brennt den Kürenzern auf den Nägeln?

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