"Wir sind nicht allein"

HEILIGKREUZ. Seit elf Tagen befindet sich mittlerweile die iranische Familie Aliniea/Almasi im Kirchenasyl der Heiligkreuzer Christuskirche. Die Kreisverwaltung hält nach wie vor an der Abschiebung fest.

 Leben im Kirchenasyl: Spielen mit Tochter Sadaf bestimmt den Alltag der Familie Almasi/Aliniea.Foto: Denise Juchem

Leben im Kirchenasyl: Spielen mit Tochter Sadaf bestimmt den Alltag der Familie Almasi/Aliniea.Foto: Denise Juchem

Bis überbeide Ohren strahlt die kleine Sadaf. Lebhaft zappelt das Mädchenmit dem dunklen Lockenschopf auf dem Arm der Mutter. Alles andereals menschenscheu ist das 13 Monate alte Kind. Und das ist auchgut so, denn Menschen gehen in ihrem vorübergehenden Zuhauseständig ein und aus. Jeder Besucher wird mit einem zuckersüßenLächeln oder gar mit Luftküssen begrüßt. Die Angst, die der iranischen Familie Aliniea/Almasi noch vor wenigen Tagen ins Gesicht geschrieben war, ist verschwunden. "Alles läuft gut, und wir haben keine Probleme", sagt Arezu Almasi, die sich mit ihrem Mann Nader Aliniea und ihrer Tochter Sadaf seit elf Tagen in der Heiligkreuzer Christuskirche im Kirchenasyl befindet.

Ausländerbehörde hält an Abschiebung fest

Vor knapp zwei Wochen konnte die Familie ihre Abschiebung verhindern, indem sie in der evangelischen Kirche Asyl fand. Aus Angst vor politischer Verfolgung in ihrer Heimat waren Arezu Almasi und Nader Aliniea nach Deutschland geflohen. Doch ihre beiden Asylanträge wurden abgelehnt.

Wenn die 31-Jährige von der Welle der Hilfsbereitschaft spricht, die sie zur Zeit erlebt, ist sie fast zu Tränen gerührt. "Hier gibt man uns das Gefühl, dass wir nicht allein sind." Die dreiköpfige Familie ist in den vergangenen Tagen zwar etwas zur Ruhe gekommen, aber eine Entscheidung, ob die Iraner in Deutschland bleiben dürfen, ist noch nicht gefällt worden.

"Im Augenblick versuchen wir, Landrat Richard Groß davon zu überzeugen, dass er einen folgenschweren Fehler macht, wenn er die Gefahr für Leib und Leben für diese Familie ausschließt", sagt Guido Hepke, Pfarrer der Kirchengemeinde Heiligkreuz. "Ich möchte im Moment nicht in der Haut des Landrats stecken", gibt Hepke zu. Juristisch könne man Groß zwar nicht haftbar machen - "moralisch allerdings schon", betont der Theologe.

Die Kreisverwaltung sieht das völlig anders. "Wir sind nur das ausführende Organ, nicht das entscheidende", betont Thomas Müller, Referent von Landrat Groß. Im Fall der Familie Aliniea/Almasi seien keinerlei Ausreisehindernisse erkennbar und lägen auch keine Asylgründe vor, so die Kreisverwaltung. Daher hält die Ausländerbehörde an einer Abschiebung unverändert fest.

Ihr Domizil hat die kleine iranische Familie mittlerweile von der Heiligkreuzer Christuskirche in die ehemalige Pfarrwohnung auf dem Kirchengelände verlegt. Auf 30 Quadratmetern leben Arezu, ihr Mann Nader Aliniea und die kleine Sadaf im Moment. "Der Begriff Kirchenasyl beschränkt sich nicht allein auf den Sakralraum", erklärt Hepke. "Kirchenasyl kann überall dort gewährt werden, wo Kirche lebt und arbeitet."

Der Raum, in dem sich die kleine Familie Tag und Nacht aufhält, ist spartanisch eingerichtet: Ein Doppelbett, ein Kinderbettchen für Sadaf, ein Regal, auf dem ein Fernseher und ein Kassettenrekorder stehen, und ein Tisch mit Stühlen. Der gelbe Strauß Tulpen wirkt auf der Fensterbank recht verloren. Dennoch ist die Familie Aliniea/Almasi sehr froh über die Unterbringung.

Dass sie das Haus nicht verlassen dürfen - da sonst das Kirchenasyl nicht mehr gilt - bedrückt Arezu und Nader sehr. "Als ich gestern Abend die Haustür aufgemacht habe, hatte ich ein Gefühl, als öffnete ich meine Gefängnistür", erzählt die 31-jährige Iranerin. Denn sobald die Familie das Kirchengelände verlässt, erlischt das Kirchenasyl und sie kann in Abschiebehaft genommen werden.

Im Mittelalter war das Kirchenasyl auf 41 Tage befristet. "Mittlerweile ist es jedoch nicht mehr zeitlich beschränkt", sagt Pfarrer Hepke. Diese Institution, die es in allen Religionen gebe, schütze Menschen vor ungerechtfertigter Verfolgung.

Das Aktionsbündnis "Eshagh muss bleiben", das sich Ende vergangenen Jahres vergeblich für ein dauerhaftes Bleiberecht des jungen Iraners Eshagh Alishahi eingesetzt hatte, macht sich im Moment für ein dauerhaftes Bleiberecht der Familie stark. "Wir organisieren zudem Leute, die die Familie im Kirchenasyl besuchen und die auch Nachtdienste übernehmen", sagt Corinna Rüffer vom Aktionsbündnis. "Die Tatsache, dass noch andere Menschen hier übernachten, gibt der Familie ein Gefühl der Sicherheit."

Die Freiwilligen, die nachts auf Isomatten bei der Familie Aliniea/Almasi schlafen, werden für ihr Engagement mit den süßen Küssen und dem strahlenden Lächeln der kleinen Sadaf entschädigt.

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