Die Liquidatoren

Vor 20 Jahren hielt die Welt den Atem an. Als das sowjetische Atomkraftwerk Tschernobyl eine der größten Havarien in der Geschichte der Atomkraft erlitt, drohte eine große radioaktive Staubwolke Europa massiv zu verseuchen.

Die sowjetische Führung hatte zwei Alternativen. Sie hätte nichts tun und darauf warten können, dass der Reaktor innerhalb weniger Wochen ausgebrannt wäre. Eine fatale Perspektive, denn dann wäre ein wesentlich größerer Teil radioaktiven Staubes in die Atmosphäre gelangt, während die Gegend um Tschernobyl weniger Belastung erlitten hätte. Diese Wolke hätte Europa noch stärker belastet als der erste explosionsbedingte Ausstoß. Die sowjetische Führung handelte. Ein Großteil der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten wurde evakuiert, aber viele Menschen blieben auch, wurden teilweise dazu gezwungen, bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Zudem wurden Tausende junge Männer, so genannte Liquidatoren, nach Tschernobyl geschickt, um die Verseuchung einzudämmen. Das bedeutete in vielen Fällen nichts anderes, als mit Spaten und bloßer Hand hochradioaktives Material zusammenzukehren. Bei aller Diskussion, die nun am Jahrestag der Katastrophe über Vor- und Nachteile von Atomkraft entsteht, sollte eines nicht vergessen werden. Europa, ja die ganze Welt, verdankt es jenen in Tschernobyl gebliebenen Menschen, dass die Katastrophe nicht noch größer geworden ist. Viele sind inzwischen gestorben und die Diskussion über die Freiwilligkeit ihres Einsatzes führt - in Anbetracht des damaligen totalitären Regimes - in die Leere. Wären diese Menschen jedoch nicht gewesen, würde Europa heute wesentlich schwerer unter den Folgen der Katastrophe leiden müssen. hp.linz@volksfreund.de

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