Mehr als nur Sommertheater

40-Stundenwoche oder mehr, weniger Urlaubstage, Feiertage abschaffen, Lebensarbeitszeit verlängern. Diese und ähnliche Schlagworte wurden in den vergangenen Wochen von Politikern aller Couleur präsentiert.

Dabei wurde zunächst behauptet, durch solche Maßnahmen würden Arbeitsplätze geschaffen. Das machte schon stutzig: Damit ließe sich nur rechnen, wenn jetzt schon vorhandene Arbeit in großem Stil zurückgehalten würde. Es folgte die Behauptung, nur durch solche Mehrarbeit könne der Standort Deutschland gesichert werden, obwohl der Export jeden Monat neues Rekordwachstum meldet. Große Firmen erpressen von den Mitarbeitern längere Arbeitszeiten mit Drohung der Auslagerung von Produktion in Billiglohnländer. Inzwischen spricht in diesem Zusammenhang niemand mehr von der Schaffung oder von der Sicherung von Arbeitsplätzen. Das neue Hartz IV Gesetz zwingt erwerbslose Menschen, praktisch jede Arbeit zu jedem noch so geringen Lohn anzunehmen und gleichzeitig ihre Rücklagen für die Altersvorsorge vorzeitig aufzubrauchen. Die Strategie ist erkennbar: Es geht um die Erhöhung der Gewinne bei gleichzeitiger Senkung des Lohnniveaus. Sommertheater nannte das ein Kommentator in dieser Woche. Dem würde ich gerne zustimmen, wäre die Sache nicht so ernst und ginge es dabei nicht um Menschen mit persönlichen Lebensgeschichten und Schicksalen. Viele sind von Armut bedroht, auch wenn sie unverschuldet erwerbslos werden und viele Jahre Sozialabgaben gezahlt haben. Es ist eine Frage der Menschenwürde, dass Menschen vom Lohn ihrer Arbeit vernünftig leben können und Erwerbslose nicht zum Sozialfall werden. Vor dem Gespräch über den Wirtschaftsstandort Deutschland müsste also das Gespräch über den Lebensstandort Deutschland geführt werden. Ingrid Müller, Pastoralreferentin in Trier

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